„Im Namen der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken …“

Urteile sowjetischer Militärtribunale (SMT) in Dresden

*28.3.1891 (Nausseden, Kreis Tilsit-Ragnit (Ostpreußen)) | † 16.7.1952 (Moskau (Gefängnis Butyrskaja))

Franz Weiß

Briefkopf der Firma von Franz Weiß, Stadtarchiv Coswig

Als angeblicher Leiter mehrerer sächsischer Untergrundgruppen zum Tode verurteilt


Franz Weiß, geboren in Nausseden, Ostpreußen (heute Nausedai, Litauen), wuchs in einem bäuerlichen Elternhaus auf. Nach dem Abschluss der Volksschule absolvierte er eine kaufmännische Ausbildung. Am 1. Mai 1933 trat er der NSDAP bei, die er jedoch am 19. Juni 1937 aus unbekannten Gründen wieder verließ. Franz Weiß war verheiratet und Vater einer Tochter. In den 1930er-Jahren lebte er als kaufmännischer Angestellter in Dresden. Über seinen möglichen Kriegsdienst während des Ersten und des Zweiten Weltkrieges ist bisher nichts bekannt. Seit 1946 war er Mitglied der LDP.

Am 14. September 1951 wurde Franz Weiß, der mit seiner Familie in Coswig lebte und inzwischen eine Fabrik für Arbeitsschutzbekleidung besaß, von sowjetischen Sicherheitsorganen und Mitarbeitern des MfS verhaftet. Später kam er in das Gefängnis der sowjetischen Geheimpolizei an der Bautzner Straße in Dresden. Nach einem halben Jahr Untersuchungshaft verurteilte ihn dort das Militärtribunal der Gruppe der sowjetischen Besatzungstruppen in Deutschland (Feldpostnummer 48240) nach sieben Prozesstagen am 21. März 1952 gemeinsam mit 20 weiteren Angeklagten auf Grundlage der Artikel 58-6, Abschnitt 1, Artikel 58-10, Abschnitt 2, Artikel 58-11 sowie der Artikel 19-58-8 und 19-58-9 des StGB der RSFSR zum Tod durch Erschießen. Sieben Todesurteile wurden insgesamt verhängt, gegen die anderen 14 Mitverurteilten wurden lange Haftstrafen ausgesprochen. Die Verurteilten gehörten zu verschiedenen Gruppen, die mit der KgU in West-Berlin zusammengearbeitet hatten, sie kannten sich untereinander jedoch überwiegend nicht.

Laut Urteil wurde Franz Weiß vorgeworfen, im April 1951 Kontakt zu KgU aufgenommen und von dieser im Laufe eines halben Jahres mehrere tausend Flugblätter und Broschüren antisowjetischen Inhaltes erhalten und anschließend weiterverteilt zu haben. Nach Ermittlungen der DDR-Staatssicherheit besaß er außerdem drei Pistolen sowie Ampullen mit brennbarer Flüssigkeit und Stinkampullen für Sabotageakte. Des Weiteren wurde er beschuldigt, als Koordinator mehrerer Gruppen aus Dresden und dem Dresdner Umland angebliche Spionageinformationen weitergegeben zu haben und auch selbst Informationen zur Transportpolizei, zu Industriestandorten, zu Wohnorten von SED-Funktionären sowie über vom MfS verhaftete Personen für die KgU gesammelt zu haben.

Bei der KgU wurde Weiß seit dem 26. April 1951 als Mitarbeiter unter dem Decknamen „Trabant“ geführt. Überlebende der Prozesse gegen KgU-Gruppen in Sachsen bezeugten seine zentrale Rolle für die Organisation in Dresden und Umgebung.

In seinem Gnadengesuch erklärte Franz Weiß, dass die von ihm an die KgU übermittelten Informationen öffentlich zugänglich waren und dass er Meldungen über Festnahmen aus dem Bedürfnis weitergegeben habe, den Verhafteten zu helfen. Er betonte nachdrücklich, die Aufforderung zu Sabotageakten abgelehnt und die Sabotagemittel lediglich verwahrt zu haben. Des Weiteren kritisierte er die Prozessführung und wies darauf hin, dass sein Antrag über die Zuständigkeit des Gerichts zu Anfang der Verhandlung nicht berücksichtigt worden sei. „Wir sind also zum Tode verurteilt worden, ohne auch nur einen der angewendeten Paragraphen zu kennen“, schrieb der 61-Jährige.

Über das Gefängnis Nr. 6 in der Magdalenenstraße in Berlin-Lichtenberg und das Gefängnis Nr. 1 in Brest wurde er nach Moskau transportiert und in das Gefängnis Butyrskaja eingeliefert. Das Präsidium des Obersten Sowjets der UdSSR lehnte seine Begnadigung am 12. Juli 1952 ab. Das Todesurteil wurde vier Tage später, am 16. Juli 1952, im Butyrskaja-Gefängnis vollstreckt. Die Asche wurde in ein Sammelgrab auf dem Friedhof Donskoje in Moskau geschüttet.

Die Hauptmilitärstaatsanwaltschaft der Russischen Föderation rehabilitierte Franz Weiß am 20. Januar 1995 als Opfer politischer Repressionen.

Weitere Dokumente

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Quellen

  • BArch (Bundesarchiv), R 9361-IX-Kartei/47620120; R 9361-VIII Kartei/25100697
  • BArch Koblenz, B 289/OA 4/1481
  • BArch Koblenz, B 305/19394
  • Hauptmilitärstaatsanwaltschaft der Russischen Föderation, 5uw-40419-51
  • RGWA, f. 461, d. 198176
  • Staatsarchiv der Russischen Föderation (GARF), f. 7523, op. 76a, d. 99
  • Zentralarchiv des FSB (ZA FSB), P-1159

Veröffentlichungen

  • "Erschossen in Moskau ..." Die deutschen Opfer des Stalinismus auf dem Moskauer Friedhof Donskoje 1950-1953, hrsg. von Arsenij Roginskij, Frank Drauschke und Anna Kaminsky, 3. Auflage, Berlin 2008, S. 442 f
  • Enrico Heitzer, "Affäre Walter". Die vergessene Verhaftungswelle, Berlin 2008, S. 110 f, S. 165 ff.