*8.8.1928 (Chemnitz) | † 28.5.1952 (Moskau (Gefängnis Butyrskaja))
Wolfgang Türk
Als Leiter einer Widerstandsgruppe im Erzgebirge zum Tode verurteilt
Der gebürtige Chemnitzer Wolfgang Türk wuchs als Sohn des Ehepaares Gertrud und Max Türk in Lugau auf. Während des Zweiten Weltkrieges diente der gerade 16-Jährige von Januar bis Mai 1945 als Soldat. Nach Kriegsende absolvierte er eine Ausbildung zum Textilkaufmann, 1946 wurde er Mitglied der SED. Wolfgang Türk war seit 18. Januar 1951 mit Christa Metzner verheiratet und Vater eines Kindes.
1947 fand er eine Anstellung als Kontrolleur im Kreisratsamt in Stollberg. Nach eigenem Bekunden informierte er die Staatsanwaltschaft über Spekulationen und Unterschlagungen der Angestellten des Kreisratsamtes. Daraufhin sei von eben diesen Beschuldigten ein Disziplinarverfahren gegen ihn eingeleitet worden. Nach seinem Ausscheiden aus dem Dienst im Landratsamt begann er eine Umschulung. Zeitweise war er bei der SAG Wismut beschäftigt. Seit 1949 arbeitete er in der Maßschneiderei seines Vaters in Lugau. Ein Jahr später trat er der DSF und der VVN bei, da er nach eigenen Angaben während der NS-Diktatur aufgrund von „wehrkraftzersetzenden Äußerungen“ verurteilt worden sei. 1951 wurde er aus der VVN ausgeschlossen.
Am 16. September 1951, während eines Besuches bei seinen Schwiegereltern in Neuwürschnitz, entzog er sich seiner Verhaftung durch Flucht nach West-Berlin. Dort wurde er am 25. September 1951 als politischer Flüchtling anerkannt. Am 6. Oktober 1951 lockte ihn die DDR-Staatssicherheit unter dem Vorwand der Übernahme eines Koffers nach Ost-Berlin und verhaftete ihn dort. Zwei Tage später übergab sie ihn der sowjetischen Geheimpolizei. Nach knapp vier Monaten Untersuchungshaft im Dresdner Gefängnis an der Bautzner Straße verurteilte ihn das Militärtribunal der Gruppe der sowjetischen Besatzungstruppen in Deutschland (Feldpostnummer 48240) dort am 22. Februar 1952 auf Grundlage der Artikel 58-6, Abschnitt 1, 58-10, Abschnitt 2 und Artikel 58-11 des StGB der RSFSR zum Tode durch Erschießen. Gegen die anderen vier Mitverurteilten wurden mehrjährige Haftstrafen verhängt.
In seinem Gnadengesuch gab Wolfgang Türk an, aus einer Notlage heraus, gegen seine innere Überzeugung und im Widerspruch zu seiner Erziehung gehandelt zu haben. Das Präsidium des Obersten Sowjets der UdSSR lehnte seine Begnadigung am 24. Mai 1952 ab. Laut der Vorlage des Obersten Gerichts der UdSSR in Vorbereitung der Entscheidung über sein Gnadengesuch wurde Wolfgang Türk vorgeworfen, im September 1950 Kontakt zur Kampfgruppe gegen Unmenschlichkeit (KgU) aufgenommen, eine Spionagegruppe gegründet und Flugblätter antisowjetischen Inhalts verteilt zu haben. Des Weiteren wurde er beschuldigt, Mitarbeiter für die Spionagegruppe geworben und Spionageaufträge über die sowjetischen Truppen in Dresden, Eisenach und Glauchau in Auftrag gegeben und die ermittelten Informationen an den KgU-Agenten „Walter“ weitergegeben zu haben. Dazu zählten nach den Ermittlungen auch Informationen über Betriebe im Erzgebirge. Außerdem habe er vom KgU-Agenten „Malik“ sechs Ampullen mit brennbarer bzw. stinkender Flüssigkeit erhalten.
Die KgU führte Wolfgang Türk unter dem Decknamen „Henry Nord“ seit 1950 als ihren Mitarbeiter und später als Leiter einer Widerstandsgruppe. Seine Tätigkeit habe sich auf „informatorische Mitteilungen sowie auf Propagandaaktionen“ erstreckt. Bei einem Mitglied seiner Gruppe wurden während einer Hausdurchsuchung nach Angaben der in den Westen geflüchteten Verlobten neben Flugblättern auch Waffen und Sprengstoff gefunden.
Das Todesurteil gegen Wolfgang Türk wurde am 28. Mai 1952 im Butyrka-Gefängnis in Moskau vollstreckt. Ein Massengrab auf dem Friedhof Donskoje in Moskau wurde zur letzten Ruhestätte.
Die Hauptmilitärstaatsanwaltschaft der Russischen Föderation rehabilitierte Wolfgang Türk am 16. Juni 1994 als Opfer politischer Repressionen.
Weitere Dokumente
- Wolfgang Türk, Rehabilitierungsbescheid, Hauptmilitärstaatsanwaltschaft der Russischen Föderation, 16. Juni 1994
- Eintrag im Digitalen Totenbuch Donskoje 1950-1953
Quellen
- BArch Koblenz, B 289, OA 1607/5; B 289, VA 500/93/4; B 289, VA 563/220-171/1
- Hauptmilitärstaatsanwaltschaft der Russischen Föderation, 5uw-7419-52
- Staatsarchiv der Russischen Föderation (GARF), f. 7523, op. 76a, d. 91, l. 129-138
Veröffentlichungen
- "Erschossen in Moskau ..." Die deutschen Opfer des Stalinismus auf dem Moskauer Friedhof Donskoje 1950-1953, hrsg. von Arsenij Roginskij, Frank Drauschke und Anna Kaminsky, 3. Auflage, Berlin 2008, S. 431
- Enrico Heitzer, "Affäre Walter". Die vergessene Verhaftungswelle, Berlin 2008, S. 110; 128; 147; 151