Bautzen - Speziallager und DDR-Strafvollzugsanstalten
Etwa ein Drittel der in Dresden von sowjetischen Militärtribunalen Verurteilten verbüßte zwischen 1945 und 1956 seine Strafe in Bautzen I. Das wegen der hellen Klinkerfassade als „Gelbes Elend“ bekannte Gefängnis liegt am Stadtrand; die Untersuchungshaftanstalt Bautzen II befand sich in der Innenstadt. Beide Haftanstalten wurden während des nationalsozialistischen Regimes, in der Zeit der sowjetischen Besatzung und in der DDR auch zur Ausschaltung politischer Gegner genutzt.
Vorgeschichte bis 1945
Die Landesstrafanstalt Bautzen wurde zwischen 1900 und 1904 erbaut. Sie diente als Jugendstrafanstalt und Gefängnis für Ersttäter. Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten waren in Bautzen I seit 1933 auch politische Gegner des NS-Regimes inhaftiert. Der Haftalltag war durch militärischen Drill, karge Verpflegung und stumpfsinnige Arbeit bestimmt. Bautzen II wurde zwischen 1904 bis 1906 als Gefängnis des zeitgleich errichteten Amts- und Landgerichts erbaut. Es diente der Untersuchungshaft sowie der Verbüßung kurzer Haftstrafen.
Bautzen I und II als Gefängnisse der sowjetischen Besatzungsmacht
Nach Ende des Zweiten Weltkrieges errichtete die sowjetische Geheimpolizei in der leerstehenden Landesstrafanstalt Bautzen I ein Speziallager. In ihm waren zunächst vor allem Funktionäre des NS-Regimes und andere Personen, die die Besatzungsmacht als gefährlich ansah, interniert. Für die Einweisung reichte ein Amt in der nationalsozialistischen Partei oder im Staatsapparat aus, ein Nachweis individueller Schuld an NS-Verbrechen war nicht erforderlich. Ab 1946 kamen mehr und mehr Menschen nach Verurteilungen durch sowjetische Militärtribunale in das Lager, darunter auch politische Gegner der Besatzungsmacht.
Bis 1950 durchliefen mehr als 27 000 Gefangene das Speziallager Bautzen. Sie waren nahezu vollständig von der Außenwelt isoliert. Weder sowjetische noch deutsche Behörden erteilten Auskünfte, so dass die Angehörigen jahrelang im Ungewissen über die Verhafteten blieben. Briefkontakt und Besuche waren verboten. SMT-Verurteilte durften erstmals im April 1949 Lebenszeichen senden. Für die Internierten blieb der Briefkontakt dagegen weiterhin untersagt.
Aufgrund mangelhafter Hygiene, ständiger Überbelegung, unzureichender Ernährung und schlechter medizinischer Betreuung starben mindestens 3 000 Insassen. Für die Jahre 1945 und 1946 sind darüber hinaus 73 Erschießungen belegt. Die Toten wurden anonym auf dem benachbarten „Karnickelberg“ verscharrt, die Angehörigen erhielten davon keine Benachrichtigungen.
Das leerstehende Gerichtsgefängnis Bautzen II nutzte die sowjetische Geheimpolizei nach Kriegsende als Operativgefängnis, das heißt für die Untersuchungshaft. Im Gerichtsgebäude führten sowjetische Militärtribunale ihre Verhandlungen durch.
DDR-Strafvollzug an SMT-Verurteilten in Bautzen I
Anfang 1950 übergab die sowjetische Besatzungsmacht das Gefängnis und 6 000 von SMT verurteilte Gefangene an die Deutsche Volkspolizei, welche das Gebäude fortan als Strafanstalt nutzte. Von den ohne Urteil Internierten wurden 300 Personen im Frühjahr 1950 im Zuge der „Waldheimer Prozesse“ von einem DDR-Sondergericht zu langen Haftstrafen verurteilt. Nahezu alle SMT-Verurteilten wurden bis 1956 entlassen.
Im März 1950 kam es in Bautzen zu einem Gefangenenaufstand, der brutal niedergeschlagen wurde. Aus dem Gefängnis geschmuggelte Appelle um Unterstützung gelangten in den Westen und prägten den seitdem geläufigen Begriff „Gelbes Elend“.
Bautzen II wurde im September 1949 von der sowjetischen Geheimpolizei an die sächsische Justiz und 1951 an das Ministerium des Innern (MdI) der DDR übergeben. Im Jahr 1956 richtete das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) dort eine Sonderhaftanstalt für Regimekritiker, Gefangene aus Westdeutschland, Spione und Kriminelle aus den Reihen des Machtapparates ein. Nach der friedlichen Revolution wurde die Anstalt im Januar 1992 endgültig geschlossen.
Gedenken und Erinnern heute
Bautzen I blieb Gefängnis und dient heute dem Freistaat Sachsen als Justizvollzugsanstalt (JVA).
Auf der Anhöhe des „Karnickelberges“ wurde von der Stadt Bautzen mit finanzieller Unterstützung von Bund und Land und in Zusammenarbeit mit dem von ehemaligen Häftlingen gegründeten Bautzen-Komitee und dem Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge eine Gräberstätte für die Opfer der kommunistischen Gewaltherrschaft in den Bautzener Gefängnissen errichtet. Zwischen 1992 bis 1994 konnte ein Teil der bis dahin an unbekannten Stellen verscharrten Toten des Speziallagers geborgen werden. Im September 2000 wurde in unmittelbarer Nähe zum Gräberfeld eine Gedenkkapelle eingeweiht.
Im ehemaligen Gefängnis Bautzen II befindet sich heute die Gedenkstätte Bautzen. Besucher können dort das Zellenhaus, die Freihöfe und auch zwei Gefangenentransporter besichtigen. Anhand von ausgewählten Biografien informieren Dauerausstellungen über die Nutzung beider Gefängnisse während des Nationalsozialismus, über das sowjetische Speziallager Bautzen und über das Stasi-Gefängnis.
Literatur
Susanne Hattig/Silke Klewin/Cornelia Liebold/Jörg Morré (Hrsg.), Geschichte des Speziallagers Bautzen. 1945–1956. Katalog zur Ausstellung der Gedenkstätte Bautzen, Dresden 2004 (= Schriftenreihe der Stiftung Sächsische Gedenkstätten. Band 11).
Stiftung Sächsische Gedenkstätten (Hrsg.), Totenbuch Speziallager Bautzen 1945–1956, bearbeitet von Jörg Morré, Dresden 2004.
Website der Gedenkstätte Bautzen: https://www.gedenkstaette-bautzen.de