„Im Namen der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken …“

Urteile sowjetischer Militärtribunale (SMT) in Dresden

*9.11.1920 (Dresden)

Annemarie Anders

Annemarie Anders, Foto aus der Gefangenenakte, RGWA

Wegen Spionage für den westdeutschen Geheimdienst zum Tode verurteilt und später begnadigt


Annemarie Rosemunde Anders wurde in Dresden geboren. Sie war Mitglied des Bundes Deutscher Mädel (BDM) und der NSDAP. Zuletzt war sie als Sachbearbeiterin in der Sozialfürsorge der Stadt Grimma beschäftigt.

Dort wurde die verheiratete Mutter zweier Kinder am 16. September 1952 unter dem Vorwurf der Spionage für den westdeutschen Geheimdienst festgenommen und in das Untersuchungsgefängnis der Abteilung Gegenspionage der 1. Gardepanzerarmee eingeliefert. Am 15. November verurteilte sie das Militärtribunal der Gruppe der sowjetischen Besatzungstruppen in Deutschland (Feldpostnummer 48240) in Dresden nach Artikel 58-11 (Mitgliedschaft in einer konterrevolutionären Organisation) und Artikel 58-6, Absatz 1 (Spionage), StGB der RSFSR zum Tode durch Erschießen mit Einzug ihrer bei der Verhaftung beschlagnahmten Wertsachen. Laut dem Urteil habe sie sich vom Mann einer Berliner Freundin zum Sammeln militärischer Informationen anwerben lassen. Insgesamt soll sie die Kennzeichen von 30 Militärfahrzeugen und einem Panzer notiert und per Post weitergegeben haben. Sie soll zudem eine weitere Deutsche, die Mitverurteilte Frieda Sauer, als Spionin angeworben haben. Für ihre Tätigkeit habe sie 500 DDR-Mark erhalten. In ihrem anschließend verfassten, umfassenden Gnadengesuch gibt Annemarie Anders zu, aufgrund von persönlicher und finanzieller Not spioniert zu haben. Das Präsidium des Obersten Sowjets der UdSSR begnadigte Annemarie Anders am 8. Januar 1953 zu 20 Jahren Lagerhaft. Ihre Strafe verbüßte sie im Sonderlager Nr. 6 Retschlag („Flusslager“) im Bergbaurevier Workuta sowie im Lagerkomplex Dubrawlag („Eichenhainlager“). Ihre Freilassung erfolgte am 11. Oktober 1955.

Am 7. Mai 2001 wurde sie durch die Hauptmilitärstaatsanwaltschaft der russischen Föderation als Opfer politischer Repressionen rehabilitiert.

Weitere Dokumente

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Quellen

  • Hauptmilitärstaatsanwaltschaft der Russischen Föderation, 7u-25603-52
  • RGWA, f. 461, d.196560

Veröffentlichungen

  • Andreas Hilger, Strafjustiz im Verfolgungswahn. Todesurteile sowjetischer Gerichte in Deutschland. In: Andreas Hilger (Hg.), "Tod den Spionen!" Todesurteile sowjetischer Gerichte in der SBZ/DDR und in der Sowjetunion bis 1953, Göttingen 2006, S. 140-146
  • Jörg Rudolph/Frank Drauschke/Alexander Sachse, Hingerichtet in Moskau. Opfer des Stalinismus aus Sachsen 1950 bis 1953, Leipzig 2007, S. 115