Dresden Bautzner Straße - Haft- und Gerichtsort
Das Gelände an der Bautzner Straße 112a in Dresden war zur Zeit der kommunistischen Diktatur Wirkungsort eines umfassenden Repressionsapparats, verantwortlich für politische Verfolgung, Haft und psychische Folter. Hier errichteten die Staatssicherheitsorgane der sowjetischen Besatzungsmacht und der DDR ihren Hauptsitz für das Land Sachsen bzw. später für den Bezirk Dresden. In den folgenden Jahrzehnten wuchs der Überwachungs- und Haftkomplex mit der Zahl seiner Mitarbeiter und Spitzel.
Sowjetisches Kellergefängnis
Ursprünglich befand sich auf dem Areal eine Papier- und Kartonagenfabrik aus dem 19. Jahrhundert, die 1932 zum Mietshaus »Heidehof« umgebaut worden war. Es wurde von der sowjetischen Besatzungsmacht nach Kriegsende konfisziert und ihren Sicherheitsorganen zur Verfügung gestellt. Diese nutzten zunächst die verstreut im Gelände liegenden Gebäude für ihre Vernehmungen. 1950 wurde im Keller des ehemaligen »Heidehofs« das neue Dresdner Zentralgefängnis des sowjetischen Staatssicherheitsdienstes in Sachsen in Betrieb genommen.
Etwa 30 schmale Haftzellen von etwas mehr als zwölf Quadratmetern waren jeweils mit vier oder mehr Häftlingen belegt. Schmutzige Decken und Matratzen voller Ungeziefer, ein Kübel für die Notdurft sowie eine auch nachts brennende Glühlampe waren die einzigen Einrichtungsgegenstände. Die Hygiene beschränkte sich auf die tägliche kalte Kurzwäsche. Eine Möglichkeit, die Kleidung zu reinigen oder zu wechseln, Haare und Nägel zu schneiden oder sich zu rasieren, gab es nicht.
Die oft monatelangen Verhöre durch Offiziere des sowjetischen Sicherheitsdienstes wurden fast ausschließlich nachts in den oberen Etagen des „Heidehofs“ auf Deutsch geführt. Neben vereinzelt verübten körperlichen Misshandlungen war insbesondere der Schlafentzug eine systematische Foltermethode zur Erzwingung von Geständnissen. Die handschriftlichen Vernehmungsprotokolle waren auf Russisch verfasst. Eine Möglichkeit, die wahrheitsgetreue Wiedergabe seiner Aussage zu prüfen, gab es für den Häftling nicht. Das auf den Protokollen beruhende Urteil wurde durch ein SMT in den Obergeschossen des Gebäudes gefällt.
Viele Menschen wurden vom sowjetischen Sicherheitsdienst wegen tatsächlicher oder vermeintlicher Kriegsverbrechen oder wegen ihrer Mitgliedschaft in nationalsozialistischen Organisationen verhaftet und verhört. Häufig folgte eine Internierung in einem Speziallager. Andere wurden durch SMT zu langjähriger Haft oder zum Tode verurteilt. Die Todesurteile wurden nach 1950 in Moskau vollstreckt. Die zu Haftstrafen Verurteilten verbüßten ihre Strafen in DDR-Gefängnissen oder Zwangsarbeitslagern in der Sowjetunion.
Stasi-Untersuchungshaftanstalt
Im Herbst 1953 übergab die Besatzungsmacht das Gelände an der Bautzner Straße dem Ministerium für Staatssicherheit (MfS) der DDR. Das Areal wurde zur Dresdner MfS-Bezirksverwaltung mit einer eigenen Untersuchungshaftanstalt ausgebaut. Zuvor hatte die Staatssicherheit ihren Sitz an der Königsbrücker Straße im Dresdner Norden. Die Unterbringung ihrer Untersuchungshäftlinge erfolgte ab 1954 im neu erbauten Hafthaus. In den 44 Zellen des Untersuchungsgefängnisses waren Menschen vornehmlich aus politischen Gründen inhaftiert. Sie wurden in der obersten Etage desselben Gebäudes verhört und nach durchschnittlich drei Monaten Untersuchungshaft in der Regel zu Freiheitsstrafen verurteilt, die in den Strafvollzugseinrichtungen der DDR verbüßt werden mussten. Zwischen 1950 und 1989 wurden etwa 10 000 Menschen von der Dresdner Staatssicherheit inhaftiert.
Friedliche Revolution
Der historische Ort steht auch für die Überwindung der Diktatur. Das Bezirksamt für Nationale Sicherheit, wie die ehemalige Bezirksverwaltung Dresden des MfS seit dem 17. November 1989 offiziell hieß, wurde am 5. Dezember 1989 von Dresdner Bürgern gewaltlos besetzt. Ein Bu?rgerkomitee übernahm in Zusammenarbeit mit der Volkspolizei die Kontrolle des Gela?ndes und begleitete die Auflösung der Staatssicherheit. Wo bisher Regimekritiker und DDR-Flüchtlinge inhaftiert gewesen waren, wurden nun die Akten der Staatssicherheit eingelagert.
Erinnerung und Gedenken
Heute ist ein Teil des früheren Gebäudes eine Gedenkstätte. Sie erinnert an die Opfer der politischen Verfolgung in der Sowjetischen Besatzungszone und DDR, dokumentiert deren Schicksale und macht sie der Öffentlichkeit dauerhaft zugänglich. Zudem bietet sie den Betroffenen Raum für Austausch und Begegnung. Gleichzeitig erforscht die Gedenkstätte Bautzner Straße die Geschichte des historischen Areals. Sie untersucht Ursachen, Strukturen, Methoden und Folgen von Diktaturen sowie ihnen zugrundeliegende Ideologien.
Die Gedenkstätte ist ein eindrückliches Zeitzeugnis der Unfreiheit in der DDR. In einem Rundgang durch den sowjetischen Haftkeller und durch das einzige original erhaltene Stasi-Untersuchungsgefängnis in Sachsen sowie durch Vernehmungs-, Büro- und Festräume der Staatssicherheit kann nachvollzogen werden, wie der staatliche Repressionsapparat seine politischen Gegner auszuschalten versuchte.
Literatur
Uljana Sieber, Dresden. Bautzner Straße. Von der politischen Haftanstalt zum Ort der friedlichen Revolution, Berlin: Ch. Links Verlag 2017.
Heiko Neumann, "Und die hatten dann irgendwie meinen Willen gebrochen." Haftregime & Vernehmungspraxis in der MfS-U-Haft Bautzner Straße Dresden 1953 – 1989, Dresden 2016.
Uljana Sieber (Hrsg.), Vom Dresdner Kellergefängnis ins Lager. Schicksale politischer Häftlinge in Sachsen. Zeitzeugenprojekt mit Schülern, Dresden 2013.
Annette Weinke/Gerald Hacke, U-Haft am Elbhang. Die Untersuchungshaftanstalt der Bezirksverwaltung des Ministeriums für Staatssicherheit in Dresden 1945 bis 1989/1990, Herausgegeben von der Stiftung Sächsische Gedenkstätten in Verbindung mit Erkenntnis durch Erinnerung e. V., Dresden 2004.
Website der Gedenkstätte Bautzner Straße Dresden: https://www.bautzner-strasse-dresden.de/