„Im Namen der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken …“

Urteile sowjetischer Militärtribunale (SMT) in Dresden

*2.3.1902 (Görlitz) | † ??.??.1985

Charlotte Heyden

Charlotte Heyden, Porträtfotografie, 1946, privat, Schenkung von Käthe Fraedrich, Sammlung Gedenkstätte Münchner Platz Dresden

Verhaftet als Mitglied einer liberalen Oppositionsgruppe in Görlitz


Charlotte Heyden, geborene Kasper, wuchs in Görlitz auf. Ihr besonderes Interesse für soziale Fragen mündete in eine Ausbildung im Arbeitsamt Görlitz. Die in Aussicht stehende Stelle bei der Berufsberatung konnte sie jedoch nach der nationalsozialistischen Machtergreifung wegen „politischer Unzuverlässigkeit“ nicht antreten.

Wenige Monate nach Ende des Zweiten Weltkrieges, Ende Oktober 1945, übertrug man ihr die Abteilung für weibliche Berufsberatung im Görlitzer Arbeitsamt. Sie trat der Liberal-Demokratischen Partei (LDP) bei und wurde nach den Kommunalwahlen im Oktober 1946 in den Rat der Stadt Görlitz gewählt. Dort übernahm sie das Dezernat für Handel und Versorgung.

Ihre ablehnende Haltung gegenüber der Etablierung der kommunistischen Diktatur durch die SED und die sowjetische Besatzungsmacht führte sie mit Gleichgesinnten zusammen. Sie wurde Mitglied einer Oppositionsgruppe um den Fraktionsvorsitzenden der LDP im Görlitzer Stadtparlament, Dr. Walter Schade. Die Gruppe nahm unter anderem Kontakt zum SPD-Ostbüro in Westberlin auf.

Die sowjetische Geheimpolizei zerschlug die Gruppe im Herbst 1947. Am 28. Oktober wurde Charlotte Heyden auf einer Dienstfahrt nach Berlin durch sowjetische Sicherheitsorgane verhaftet und anschließend in die Haftanstalt Münchner Platz eingeliefert. Nach fast zweijähriger Untersuchungshaft verurteilte sie die Sonderberatung des Ministeriums der Staatssicherheit der UdSSR (OSO) per Fernurteil am 13. August 1949 nach den Artikeln 58-4 (Begünstigung der internationalen Bourgeoisie), 58-6 (Spionage) und 58-11 (illegale Gruppenbildung) des StGB der RSFSR zu 25 Jahren Haft. Ebenfalls festgenommen und gesondert verurteilt wurden Walter Adam, Ursula Hupka, Willi Leisten, Horst Otte und Dr. Helmut Schaefer. Dr. Walter Schade verstarb noch vor der Verurteilung während der Haft am Münchner Platz.

Über das sowjetische Speziallager Sachsenhausen wurde Charlotte Heyden im November 1949 in die UdSSR deportiert. Ihre Strafe verbüßte sie im DubrawLag (Eichenhainlager) bei Potma in Mordowien. Am 27. Dezember 1953 entließ man die von den jahrelangen Entbehrungen Gezeichnete und schwer Erkrankte. Bereits im Januar 1954 flüchtete sie von Görlitz nach Westdeutschland. Sie trat der SPD bei und engagierte sich später als Leiterin der Berliner Zweigstelle des Ostbüros der SPD für Flüchtlinge und politisch Verfolgte aus der DDR.

Am 2. April 1990 wurde Charlotte Heyden auf der Grundlage eines Erlasses des Präsidiums des Obersten Sowjets der UdSSR vom 16. Januar 1989 „Über zusätzliche Maßnahmen zur Wiederherstellung der Gerechtigkeit in Bezug auf Opfer von Repressionen in den 30er- und 40er- sowie am Beginn der 50er-Jahre“ posthum rehabilitiert. Ihre Leidensgenossin und Mitarbeiterin im SPD-Ostbüro Käthe Fraedrich verarbeitete ihr Schicksal und die gemeinsamen Hafterfahrungen am Münchner Platz und in den sowjetischen Lagern im 2001 erschienenen Roman „Im Gulag der Frauen“.

Weitere Dokumente

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Quellen

  • Hauptmilitärstaatsanwaltschaft der Russischen Föderation, 4uk-54464-49
  • RGWA, f. 461, d. 171033

Veröffentlichungen

  • Birgit Sack/Gerald Hacke, Verurteilt. Inhaftiert. Hingerichtet. Politische Justiz in Dresden 1933-1945 | 1945-1957, Dresden 2016, S. 253
  • Käthe Fraedrich, Im Gulag der Frauen, Universitas Verlag 2001
  • Ronny Kabus, "... weine ich täglich um meinen Vater". In der Gewalt Stalins und der SED, 2. neu bearb. u. erw. Auflage, Norderstedt 2016
  • Wolfgang Buschfort, Parteien im Kalten Krieg. Die Ostbüros von SPD, CDU und FDP, Berlin 2000, S. 68, 175, 234