„Im Namen der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken …“

Urteile sowjetischer Militärtribunale (SMT) in Dresden

*29.11.1921 (Coswig bei Dresden) | † 16.7.1952 (Moskau (Gefängnis Butyrskaja))

Gerhard Kümmel

Gerhard Kümmel, Passfoto, ZA FSB Moskau

Für angebliche Terrorvorbereitungen und Spionage zum Tode verurteilt


Gerhard Kümmel wurde in Coswig als Sohn einer Arbeiterfamilie geboren. Er besuchte die Volksschule und absolvierte im Anschluss eine Ausbildung zum Fräser. Während des Nationalsozialismus war er von 1933 bis 1941 Mitglied der Hitlerjugend. Im Zweiten Weltkrieg leistete er von 1941 bis 1945 Kriegsdienst an der Ostfront. Kümmel war verheiratet und hatte drei Kinder. Zuletzt war er im VEB Druckmaschinenwerk Planeta in Radebeul als Fräser tätig.

Gemeinsam mit seinem Cousin Heinz Albert entwickelte sich in Kümmel zunehmend eine Distanz zum Aufbau des Sozialismus im ostdeutschen Teilstaat. Die Diskrepanz zwischen demokratischen sowie wirtschaftlichen Versprechen und der Realität in der DDR trat immer offener zu Tage. Beide organisierten sich einen Setzkasten und stellten damit Flugblätter her. Diese verteilten sie des nachts im Raum Coswig, Radebeul und Dresden. Ihre Flugblattaktion gegen das Todesurteil gegen Hermann Flade war hierbei eine ihrer aufmerksamkeitswirksamsten Aktivitäten. Hierfür konnten Kümmel und Albert auch Mitstreiter gewinnen.

Vom Erfolg ihrer bisherigen Arbeit beflügelt und sich zugleich selbst eingestehend, dass ihr Widerstand dem „Aufbau des Sozialismus“ nur wenig entgegensetzen konnte, entschlossen sich Albert und Kümmel, Kontakt mit der KgU aufzunehmen. Dies erfolgte am 13. April 1951 in West-Berlin. Bei der KgU wurden Albert, Kümmel und die anderen Mitstreiter als Gruppe „Tertia“ geführt und mit Flugblättern sowie antimarxistischen Schriften versorgt. Hierfür lieferte die Gruppe unter anderem Informationen über Verhaftete im Raum Meißen.

Im Zuge der „Affäre Walter“, bei der durch Verrat eines KgU-Mitarbeiters zahlreiche mit der KgU in Verbindung stehende Widerstandsgruppen auf dem Gebiet der DDR aufgedeckt und verhaftet wurden, kam es in der Nacht vom 16. auf den 17. September 1951 zur Verhaftung von Kümmel und Albert im Haus von Alberts Vater. Beide wurden direkt in das sowjetische Untersuchungsgefängnis in der Bautzner Straße in Dresden gebracht. Weitere 19 Männer aus ihrem Umfeld erlitten das gleiche Schicksal.

Am 21. März 1952 kam es zum Gruppenprozess vor dem Militärtribunal der Gruppe der sowjetischen Besatzungstruppen in Deutschland (Feldpostnummer 48240) in der Bautzner Straße. Hierbei waren Angehörige verschiedener KgU-Untergrundgruppen angeklagt. Kümmel wurde wegen Spionage, antisowjetischer Propaganda und der Planung eines bewaffneten Aufstands, Terrorismus und „konterrevolutionärer Angriffe“ auf die Infrastruktur sowie die Gründung einer hierauf hinarbeitenden illegalen Organisation zum Tode verurteilt.

Laut Urteilsbegründung habe Kümmel für die KgU spioniert und den Auftrag gehabt „antisowjetische und antidemokratische Flugblätter […] zu verbreiten“. Unter den weitergegebenen „Spionageinformationen“ waren Personenangaben über Verhaftete, Informationen über Sicherungsmaßnahmen von Betrieben, eine Liste von SED-Funktionären mit Wohnadressen sowie Informationen über eine neue Schreibmaschine, die bei Planeta hergestellt wurde. Zudem soll er den Kontakt zu weiteren Untergrundgruppen geknüpft und sechs weitere Personen angeworben haben. Kümmel habe auch an der Planung von Sabotage- und Terrorakten mitgewirkt und sei dafür bei der Verhaftung im Besitz zweier Ampullen mit stinkenden und selbstentzündlichen Flüssigkeiten sowie einer Pistole gewesen. Die Sabotagemittel habe er jedoch nicht eingesetzt.

Zur Urteilsvollstreckung wurde Kümmel über Berlin-Lichtenberg und Brest-Litowsk nach Moskau in das Gefängnis Butyrskaja verbracht. Sein Gnadengesuch wurde am 12. Juli 1952 abgelehnt. Vier Tage später erfolgte seine Hinrichtung durch Erschießen. Seine Asche wurde in einem Massengrab auf dem Moskauer Donskoje-Friedhof verstreut.

Gerhard Kümmel wurde am 20. Januar 1995 durch die Hauptmilitärstaatsanwaltschaft der Russischen Föderation als Opfer politischer Repressionen rehabilitiert.

Weitere Dokumente

Hinweis: Für eine weitergehende Nutzung, zum Beispiel für eine Veröffentlichung, bedarf es der Zustimmung der Dokumentationsstelle Dresden. Bitte kontaktieren Sie uns dazu.

Quellen

  • BArch Koblenz, B 289/SA 237/18/1
  • Hauptmilitärstaatsanwaltschaft der Russischen Föderation, 5uw-40419-51
  • Staatsarchiv der Russischen Föderation (GARF), f. 7523, op. 76a, d. 99
  • Zentralarchiv des FSB (ZA FSB), P-1159

Veröffentlichungen

  • "Erschossen in Moskau ..." Die deutschen Opfer des Stalinismus auf dem Moskauer Friedhof Donskoje 1950-1953, hrsg. von Arsenij Roginskij, Frank Drauschke und Anna Kaminsky, 3. Auflage, Berlin 2008, S. 276