*1.8.1933 (Bersdorf, Kr. Jauer (Targoszyn))
Herbert Lienig
Verurteilt für die „Verspottung eines Bildes“ eines Führers der UdSSR
Herbert Lienig wurde in Bersdorf in Schlesien geboren. Er beendete die Schule nach der achten Klasse und begann eine Schlosserlehre im VEB Braunkohlewerk „John Schehr“ in Laubusch – heute ein Stadtteil von Lauta in der Oberlausitz.
In Laubusch befand sich die Berufsschule für alle Betriebe der Region, die eng mit dem Braunkohleabbau verbunden waren. Hierbei kam es über die Jahre verschiedentlich zu Problemen. Neben einer allgemein eher schlechten Erreichbarkeit der Berufsschule für Lehrlinge aus dem Umland war ein Hauptproblem die schlechte Organisation. Der Unterricht konnte spontan ausfallen, weil kein Lehrer anwesend war oder es schlicht vergessen wurde, dass es ein Unterrichtstag ist. Ebenso konnte es zu kurzfristigen Raumverlegungen, Lehrplanänderungen und Verpflegungsproblemen kommen. Dies alles sind Faktoren, die nicht nur aus den Betrieben heraus angemahnt wurden, sondern vor allem bei den jugendlichen Lehrlingen für wiederholte Frusterfahrungen sorgte.
So auch am 12. Januar 1951. An diesem Tag wurde der Unterricht ungeplant in das FDJ-Heim, einer Art Baracke, verlegt. Dort war für den Tag der ortsansässige Jugendleiter für die Klasse eingeteilt worden, der unter den Jugendlichen unbeliebt war und sich auch an dem Tag gegenüber den Lehrlingen unfreundlich verhielt. Während der Mittagspause, in der die üblichen Heißgetränke für die Berufsschüler ausblieben, waren diese unbeaufsichtigt und es entlud sich der Frust.
In jugendlichem Übereifer wollten sich einige Schüler am Jugendleiter rächen. Unter allgemeinem Lärm wurden unter anderem eine DDR-Fahne angekokelt, der Feuerlöscher geleert und Bilder Stalins und Lenins beschädigt beziehungsweise bemalt. Wie Lienig hieran beteiligt war, ist nicht bekannt. Nach der Pause ging der Jugendleiter auf die Geschehnisse nicht ein, sondern setzte den Unterricht fort.
Am Abend des 12. Januar 1951 wurde Lienig im Haus seiner Eltern durch Volkspolizisten verhaftet. Später wurde er nach Dresden überführt und dort am 18. Januar sowjetischen Sicherheitskräften übergeben, sodass er in das Untersuchungsgefängnis an der Bautzner Straße kam. Hier kam es am 6. März 1951 zum Prozess vor dem Militärtribunal der 1. Garde-Panzerarmee (Feldpostnummer 08640) gegen Lienig und drei weitere seiner Mitschüler: Kurt Donnerstag, Friedhelm Hielscher und Richard Böttge. Für antisowjetische Propaganda wurden alle vier verurteilt, Lienig erhielt zehn Jahre Haft in einem Besserungsarbeitslager. Ihm wurde vor allem die „Verspottung eines Bildes eines Leiters der Sowjetunion“ zur Last gelegt.
Kurz darauf erfolgte die Überführung Lienigs und der anderen Jugendlichen in die Strafvollzugsanstalt Bautzen I. Von dort kam er vermutlich im Januar 1952 in die Haftanstalt „Roter Ochse“ in Halle. In der Haft war Lienig vor allem in der Schneiderei tätig, wo er die hohen Normen erfüllte. Die Haftleitung charakterisierte ihn als reuevoll und attestierte eine „einwandfreie Führung“.
Am 16. Januar 1954 wurde Lienig entlassen. Zeitnah floh er über Berlin in die Bundesrepublik nach Ludwigshafen. Über sein weiteres Schicksal ist nichts bekannt.
Am 30. Januar 1998 rehabilitierte die Hauptmilitärstaatsanwaltschaft der Russischen Föderation Herbert Lienig als Opfer politischer Repressionen. Zur Begründung heißt es in einem dafür erstellten Gutachten, dass als antisowjetische Agitation und Propaganda verurteilte Taten unabhängig von der tatsächlichen Begründung der Anklage als gesellschaftlich ungefährlich anerkannt seien.
Weitere Dokumente
Hinweis: Für eine weitergehende Nutzung, zum Beispiel für eine Veröffentlichung, bedarf es der Zustimmung der Dokumentationsstelle Dresden. Bitte kontaktieren Sie uns dazu.Quellen
- BArch Berlin, DO1/32.0/39726 Okt53 ohne Blatt 217
- BArch Berlin, DO1/32.0/39739 Jan54; DO1/32.0/397
- Hauptmilitärstaatsanwaltschaft der Russischen Föderation, K-97138