*3.7.1926 (Leipzig) | † 24.7.1951 (Moskau (Gefängnis Butyrskaja))
Inge Müller
Nach Umwandlung der Freiheitsstrafe in ein Todesurteil in Moskau erschossen
Inge Müller wurde als Tochter des Schlossermeisters Otto Heine und seiner Ehefrau Erna in Leipzig geboren. Nach dem Abschluss ihrer Ausbildung zur zahnärztlichen Assistentin heiratete sie 1946 den Steuerinspektor Carl Egon Müller. Anschließend zog das Paar nach Grimma, wo 1947 ihre Tochter zur Welt kam. Inge Müller war parteilos.
Im Sommer 1948 zog Carl Egon Müller auf der Suche nach Arbeit nach Lindau am Bodensee. Inge Müller lebte währenddessen zeitweise mit ihrer Tochter bei ihren Eltern in Leipzig, erhielt jedoch keine Zuzugserlaubnis. Aufgrund dessen wurden ihre Lebensmittelkarten eingezogen und sie musste ihre Wohnung in Grimma räumen. Im Dezember 1948 besuchte sie ihren Mann in Lindau. Dieser hatte noch keine Arbeit gefunden und war ohne Aufenthaltsgenehmigung. In dieser verzweifelten Situation schlug ein Offizier der französischen Besatzungsmacht dem jungen Paar vor, in die sowjetische Besatzungszone (SBZ) zu reisen und als Agenten zu arbeiten, um so die Chance auf eine Aufenthaltsgenehmigung zu erhöhen. Carl Egon Müller, der bereits an Tuberkulose erkrankt war, willigte ein. Im April 1949 zog die Familie nach Konstanz, wo Carl Egon Müller als Handelsvertreter tätig wurde. Doch nur ein Jahr später, im März 1950, verstarb er, und Inge Müller zog mit ihrer kleinen Tochter zurück zu ihren Eltern nach Leipzig.
Am 17. Mai 1950 wurde Inge Müller in Grimma von Mitarbeitern der DDR-Staatssicherheit verhaftet. Nach zweimonatiger Untersuchungshaft verurteilte sie das sowjetische Militärtribunal einer Garnison am 14. Juli 1950 unter dem Vorwurf der Spionage zu 25 Jahren Haft in einem „Besserungsarbeitslager“. Die Haftstrafe verbüßte sie zunächst in den DDR-Strafvollzugsanstalten Bautzen und Waldheim. Nachdem sie eine Mitgefangene tätlich angegriffen hatte, die sie als MGB-Denunziantin bezeichnete, wurde sie im Februar 1951 mit 16 Tagen Arrest bestraft.
Am 14. Mai 1951, infolge des Protestes des Vorsitzenden des übergeordneten Militärtribunals der Gruppe der sowjetischen Besatzungstruppen in Deutschland, wurde Inge Müller aus Waldheim an die sowjetische Staatssicherheit übergeben. Am 23. Mai 1951 verurteilte sie das Militärtribunal der Gruppe der sowjetischen Besatzungstruppen in Dresden (Feldpostnummer 48240) auf Grundlage des Artikels 58-6, Abschnitt 1 des Strafgesetzbuches der RSFSR zum Tode durch Erschießen.
Ihr wurde vorgeworfen, zwischen Dezember 1948 und Frühjahr 1949 gemeinsam mit ihrem Mann mehrmals in die SBZ gereist zu sein und insgesamt vier Agenten angeworben zu haben. Sie soll selbst oder mithilfe der geworbenen Agenten Informationen über die Standorte sowjetischer Truppen, der DDR-Volkspolizei sowie der sowjetischen Staatssicherheit gesammelt und an den französischen Geheimdienst übermittelt haben. Dasselbe galt für Informationen über Truppentransporte sowie Kennzeichen sowjetischer Militärfahrzeuge.
In ihrem Gnadengesuch schilderte Inge Müller eindrücklich die verzweifelte Lage, die sie veranlasst hatte, dem Vorschlag des französischen Offiziers zuzustimmen. Doch das Präsidium des Obersten Sowjets der UdSSR lehnte das Gnadengesuch am 19. Juli 1951 ab. Das Todesurteil wurde am 24. Juli 1951 im Butyrka-Gefängnis in Moskau vollstreckt. Ihre letzte Ruhestätte fand sie in einem Massengrab auf dem Donskoje-Friedhof in Moskau.
Ihr Vater, Otto Heine, bemühte sich jahrelang vergeblich, von verschiedenen Institutionen der DDR wie der Obersten Staatsanwaltschaft, dem Präsidenten der DDR und dem Ministerium der Justiz Informationen über das Schicksal seiner Tochter zu erhalten. Nachdem er anfänglich noch Kontakt zu ihr gehabt hatte, erhielt er im September 1953 eine Anfrage der Strafvollzugsanstalt Waldheim nach dem Verbleib seiner Tochter. 1959 wurde ihm schließlich ein gefälschtes Sterbedatum mitgeteilt.
Am 24. Juli 1998 wurde Inge Müller rehabilitiert.
Weitere Dokumente
- Biografie, Digitales Totenbuch: Donskoje 1950-1953, Facts & Files
- Inge Müller, Rehabilitierungsbescheid, Hauptmilitärstaatsanwaltschaft der Russischen Föderation, 24. Juli 1998
Quellen
- BArch (Bundesarchiv), DO 1/110662; DO 1/15809; DO 1/92914
- BArch (Bundesarchiv), DP 1/23982; DP 1/30329
- BArch, MfS, G-SKS 200518; AS 138/63
- Staatsarchiv der Russischen Föderation (GARF), f. 7523, op. 76 a, d. 31
- Staatsarchiv Leipzig (SächsStA-L), 20036 Zuchthaus Waldheim, Gefangenenkartei
Veröffentlichungen
- "Erschossen in Moskau ..." Die deutschen Opfer des Stalinismus auf dem Moskauer Friedhof Donskoje 1950-1953, hrsg. von Arsenij Roginskij, Frank Drauschke und Anna Kaminsky, 3. Auflage, Berlin 2008, S. 318
- Jörg Rudolph/Frank Drauschke/Alexander Sachse, Hingerichtet in Moskau. Opfer des Stalinismus aus Sachsen 1950 bis 1953, Leipzig 2007, S. 116 f