*27.5.1932 (Dresden)
Manfred Günther
Vom früheren FDJ-Gruppenleiter zur „Spionage“ angeworben
Manfred Günther wuchs in Dresden-Lockwitz in einem sozialdemokratisch geprägten Elternhaus auf. Er besuchte die Volksschule und machte eine Ausbildung zum Kfz-Schlosser. Zudem war er Mitglied der FDJ, des FDGB und der Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische Freundschaft. In der FDJ-Ortsgruppe bekleidete er zeitweise Funktionen, zum Beispiel als Literatur-Obmann, musste diese jedoch zuletzt für seine Ausbildung niederlegen.
Über die FDJ lernte Günther 1949 Heinz Domaschke kennen, der damals Leiter der Lockwitzer FDJ-Ortsgruppe war. Dieser trat im Juni 1950 an Günther heran und überzeugte ihn, sich ihm zur Gründung einer Widerstandsgruppe anzuschließen. Hierbei unterschrieb er eine von Domaschke angefertigte Verpflichtungserklärung. In dieser wurden die „Freiheit des Geistes“ und „Menschlichkeit und Gerechtigkeit“ betont, für die sich die Gruppe einsetze. Zudem wurden der „bolschewistische Leninismus“ angegriffen und die Gefahr, in die man sich mit dieser Tätigkeit begab, offen angesprochen.
Die Gruppe wuchs rasch auf neun Mitglieder an, indem Domaschke vor allem junge Erwachsene anwarb. Günther gewann seinen Schulfreund Peter Kolsche hinzu. Im Vorfeld der ersten DDR-Volkskammerwahl beteiligte er sich zudem an der Beschädigung und Entfernung von Wahlplakaten und soll Verpflichtungserklärungen zur Mitgliederwerbung erstellt haben.
Nachdem Domaschke laut eigener Aussage im Oktober 1950 Kontakt mit dem RIAS und dem amerikanischen Geheimdienst CIC in West-Berlin aufgenommen hatte, erhielt Günther von ihm die Anweisung, Kennzeichennummern von sowjetischen Militärfahrzeugen zu notieren. Laut des sowjetischen Urteils soll er daraufhin bis zu seiner Verhaftung 20 Kennzeichen an Domaschke übermittelt haben.
Dieser verhielt sich zunehmend unvorsichtig. So bezahlte er hohe Beträge in Gaststätten mit Westgeld, woraufhin ein Spitzel auf ihn angesetzt wurde. Dieser berichtete der DDR-Staatssicherheit, dass Domaschke für einen amerikanischen Geheimdienst tätig sei. Im Zuge von Ermittlungen der Volkspolizei zu einem Einbruchsdelikt, das Gruppenmitglieder begingen, wurde Domaschke am 2. Dezember 1950 verhaftet. Bei der Hausdurchsuchung wurden belastende Beweismittel sichergestellt, darunter ein von Günther unterschriebenes Schriftstück.
Am darauffolgenden Tag wurde Günther durch die Volkspolizei verhaftet. Elf Tage später fand die Übergabe an „die Freunde“ und seine Überführung in das sowjetische Untersuchungsgefängnis in der Bautzner Straße in Dresden statt. Dort kam es am 25. März 1951 zum Prozess vor dem Militärtribunal der Gruppe der sowjetischen Besatzungstruppen in Deutschland (Feldpostnummer 48240) gegen ihn und sieben weitere Angeklagte. Noch während des Prozesses bekannte sich Günther zum Widerstand. Für illegale Gruppenbildung, Spionage, antisowjetische Propaganda und Waffenbesitz wurden Günther, Domaschke und Hermann Kernert zum Tode verurteilt.
Im April begann der Transport über Berlin-Lichtenberg und Brest in das Moskauer Gefängnis Butyrskaja, wo er am 15. Mai ankam. Hier erhielt Günther am 4. Juni die Information, dass seinem Gnadengesuch am 23. Mai stattgegeben und die Todesstrafe in 25 Jahre Haft in einem Besserungs-Arbeitslager umgewandelt worden war. Ende Juli wurde er hierfür in Richtung Workuta abtransportiert, wo er am 12. August 1951 im Sonderlager Retschlag registriert wurde.
Dort musste er im Kohleschacht arbeiten. Seine widerständige Einstellung gegenüber der Sowjetunion blieb er treu. So sind in seiner Haftakte eine Karzerhaft wegen Arbeitsverweigerung sowie das Schreiben eines Beschwerdebriefs an das ZK der KPdSU vermerkt. Anfang Juni 1955 begann Günthers Rückführung in Richtung DDR. Am 11. Dezember 1955 wurde er nach Dresden entlassen. Sein weiteres Schicksal ist unbekannt.
Weitere Dokumente
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- BArch Berlin, DO1/11:0/1520 (1955/56)
- BArch Koblenz, B 289, SA 4/18/144; B 289, SA 4/18/293
- BArch, MfS, BV Dresden, AOP 47/52
- Dokumentationsstelle Dresden, Sammlung Peer Lange
- Hauptmilitärstaatsanwaltschaft der Russischen Föderation, 3d-12817-51
- RGWA, f. 461p, d. 197531
- Staatsarchiv der Russischen Föderation (GARF), f. 7523, op. 76a, d. 23