*18.4.1912 (Chemnitz) | † 5.12.1991 (Fischbach b. Arnsdorf)
Otto Völkel
Verhaftet in Saalfeld - verurteilt in Dresden
Otto Völkel wurde als zweites von vier Kindern im protestantischen Elternhaus eines Postschaffners in Chemnitz geboren. Nach der Volksschule arbeitete er auf dem Gut Otto Starkes und besuchte die Landwirtschaftsschule in Pulsnitz. 1933 verpflichtete er sich für zwölf Jahre zum Dienst in der Reichswehr und wurde in Saalfeld stationiert. Im Zweiten Weltkrieg diente er als Oberfeldwebel auf der Krim, wo er sich selbst verletzte, um dem mörderischen Krieg an der Ostfront zu entkommen. Nach seiner Entlassung aus dem Lazarett desertierte er und verbarg sich bis Kriegsende. Seit 1938 verheiratet, hatte er vier Kinder. Einer Partei gehörte er nicht an.
Nach dem Krieg arbeitete er kurzzeitig bei der Kreispolizei Saalfeld, wurde jedoch wegen seiner früheren Verpflichtung zur Reichswehr entlassen. Anschließend war er als Kraftfahrer in der Schokoladenfabrik Mauxion und bei der Transportfirma Koppe tätig.
Am 10. Dezember 1947 wurde Otto Völkel aufgrund der Aussage eines späteren Mitverurteilten von der sowjetischen Geheimpolizei festgenommen. Nach Überstellung in das Untersuchungsgefängnis am Münchner Platz in Dresden und vier Monaten Untersuchungshaft verurteilte ihn das Militärtribunal der SMA Sachsen am 8. März 1948 wegen „Unterstützung der internationalen Bourgeoisie“ und Mitgliedschaft in einer konterrevolutionären Organisation zu zehn Jahren „Besserungsarbeitslager“. Laut Anklageschrift hatte der spätere Hauptangeklagte Dr. Ernst Opitz, der während des Krieges im selben Regiment wie Völkel diente, in Saalfeld eine Untergrundorganisation aus früheren deutschen Soldaten gegründet. Ihr Ziel sei es gewesen, nach einem Abzug der sowjetischen Truppen aus Deutschland oder im Falle eines Krieges zwischen den Vereinigten Staaten und der Sowjetunion die örtlichen deutschen Partei- und Staatsführer in Saalfeld zu verhaften und mit Waffengewalt die Macht zu ergreifen. In der Gerichtsverhandlung gab Dr. Opitz zu, eine illegale Gruppe gegründet haben, um belastendes Material gegen örtliche SED-Funktionäre zu sammeln. Ziel sei es gewesen, diese im Falle einer amerikanischen Besetzung zu verhaften, gerichtlich zur Rechenschaft zu ziehen und eine neue Verwaltung zu bilden. Otto Völkel, der laut familiärer Überlieferung über eine Beinverletzung als Patient zum Jahreswechsel 1946/1947 mit Dr. Opitz in Kontakt gekommen war, wurde in der Anklageschrift lediglich die Mitgliedschaft in dieser vermeintlichen Organisation vorgeworfen.
Die Strafe verbüßte Otto Völkel in den sowjetischen Speziallagern Bautzen und Sachsenhausen sowie in den DDR-Strafanstalten Untermaßfeld, Waldheim und Torgau. Seine Ehefrau wandte sich mit zahlreichen Eingaben an DDR-Behörden, auch an Staatspräsident Wilhelm Pieck. Zwei Jahre nach der Verhaftung erhielt sie erstmals Nachricht über seinen Verbleib. Otto Völkel wurde am 10. Dezember 1955 entlassen.
Während seine Mitverurteilten in die Bundesrepublik flüchteten, blieb Völkel aus familiären Gründen in der DDR. Eine Bewerbung im Stahl- und Walzwerk Maxhütte in Unterwellenborn wurde abgelehnt, jedoch stellte ihn die Deutsche Reichsbahn 1956 als Güterbodenarbeiter ein. Völkel arbeitete zuletzt als Stellwerksmeister in Arnsdorf.
Am 23. Januar 1989 wandte sich Otto Völkel an den Eingabeausschuss der DDR-Volkskammer. Er forderte Aufklärung über seine Verurteilung und die Berücksichtigung der Haftzeit bei der Rente. Das MfS stellte Nachforschungen an und bat die sowjetische Staatssicherheit um eine Kopie der Ermittlungsunterlagen. Bei einer Anhörung in der Dresdner Staatsanwaltschaft am 21. August 1989 wurde Otto Völkel mitgeteilt, dass er nicht als vorbestraft gelte, die Rentenansprüche jedoch nur teilweise geltend machen könne. Sein Verhalten wurde in einem internen Bericht als „einzige Anklage gegen die DDR“ gewertet.
Zwei Wochen nach dem Tod seiner Frau nahm sich Otto Völkel am 5. Dezember 1991 im Alter von 79 Jahren das Leben.
Weitere Dokumente
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- Auswärtiges Amt, 511-544./0046-98 RUS
- BArch, MfS, HA IX/11 RHE 13/89
- Hauptmilitärstaatsanwaltschaft der Russischen Föderation, 5ud-2151-95
- Staatsarchiv der Russischen Föderation (GARF), f. 9409, op. 1, d. 458
- Staatsarchiv der Russischen Föderation (GARF), f. 9409, op.1, d. 197
- Staatsarchiv Leipzig (SächsStA-L), 20036 Zuchthaus Waldheim, Gefangenenkartei
- Zentralarchiv des FSB (ZA FSB), Liste 11, Nr. 316