„Im Namen der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken …“

Urteile sowjetischer Militärtribunale (SMT) in Dresden

*26.11.1929 (Freiburg (Schlesien)) | † 1.11.2020 (Linthal (Schweiz))

Peter Eberle

Peter Eberle, Porträtfotografie, Mitte 1954, zur Verfügung gestellt von der Lagergemeinschaft Workuta/GULag Sowjetunion
Peter Eberle, Porträtfotografie, um 1950, zur Verfügung gestellt von der Lagergemeinschaft Workuta/GULag Sowjetunion

Als junger Konservativer vom „demokratischen Aufbau“ enttäuscht


Peter Eberle wurde in Freiburg (Schlesien) in ein bürgerlich-konservatives Elternhaus geboren. 1932 zog die Familie nach Dresden, wo sein Vater eine Zahnarztpraxis betrieb. Bei der Bombardierung der Stadt im Februar 1945 verlor die Familie ihre Existenzgrundlage und zog nach Kamenz. Dort besuchte Eberle das Lessing-Gymnasium und freundete sich mit dem jüdisch-stämmigen Rolf Grünberger an. Dieser informierte ihn über das Leid, das den Juden im nationalsozialistischen „Dritten Reich“ zugefügt wurde. Als er seinen Vater fragte, wie es dazu hatte kommen können, spürte er dessen Scham. Beides bestärkte Peter Eberle darin, politisch aktiv zu werden. Er trat noch als Oberstufenschüler der CDU bei. Darüber hinaus engagierte er sich bei Schulaktionen und war durch deren Erfolge dem neuen System durchaus wohlwollend eingestellt.

Nach dem Abitur begann er im Oktober 1949 ein zahnmedizinisches Studium an der Universität Leipzig. Dort wurde er im November 1949 Vorsitzender der CDU-Fakultätsgruppe und Vertreter der CDU im Studentenrat der Universität. In dieser Funktion war er für die Stipendienvergabe mit zuständig. Dabei stellte er zunehmend fest, dass die SED- und FDJ-Kader die Stipendienvergabe nicht an Leistungen, sondern an die Herkunft der Studenten knüpften. Dies führte dazu, dass viele sogenannte bürgerliche Studenten ihr Studium hätten abbrechen müssen. Eberle konnte in vielen solcher Fälle eine geheime finanzielle Unterstützung durch die West-CDU organisieren.

Seine wohlwollende Einstellung zur jungen DDR litt durch diese Kaderpolitik, die Beeinflussung der Universität durch SED und FDJ sowie durch die Ideologisierung der Lehrpläne. In dieser Phase hörte er über seinen Freund Grünberger, der in Leipzig Chemie studierte, von Herbert Belter. Dessen Ideale sprachen ihn an, jedoch blieb er vorsichtig distanziert – so kam es auch zu keinem persönlichen Treffen. Eberle versuchte weiterhin, Studenten gegen die Willkür der Kaderpolitik zu unterstützen. Über Grünberger erhielt er aber auch Tarndrucke von George Orwells „1984“ oder Ausgaben der Zeitschrift „Der Monat“ und ließ sie in Hörsälen liegen, um sie so weiterzugeben.

Anfang Oktober 1950 wurden Belter und andere aus dessen Umfeld durch DDR-Sicherheitsorgane verhaftet. Da er nur indirekten Kontakt zu Belter hatte, erfolgte die Verhaftung Eberles erst am 1. November 1950 in Leipzig. Am 4. November fand die Übergabe der als Belter-Gruppe bezeichneten jungen Männer an die sowjetischen Organe statt, die diese nach Dresden in das Untersuchungsgefängnis Bautzner Straße überführten. Dort kam es am 20. Januar 1951 zum Prozess gegen zehn Angeklagte. Hier sah Eberle zum ersten Mal Belter. Das SMT der Gruppe der sowjetischen Besatzungstruppen in Deutschland (Feldpostnummer 48240) konstruierte einen studentischen Spionagering und verurteilte Eberle wegen antisowjetischer Propaganda und Mitgliedschaft in einer illegalen Organisation zu 25 Jahren „Besserungsarbeitslager“.

Im März 1951 begann der Transport in die Sowjetunion. Über Berlin-Lichtenberg, Brest, Orscha, Moskau und Wologda kam Eberle im April im Retschlag an. Dort war er bei Erdarbeiten, als Zimmermann, aber auch als Schlosser im Schacht 9/10 und später als Heizungsmonteur in der sich gründenden Stadt Workuta tätig.

Ab Mai 1953 erfolgte Eberles Rücktransport. Über Tapiau kam er im Dezember durch Frankfurt (Oder) im Entlassungslager Fürstenwalde an und kehrte am 28. Dezember 1953 kurz zu seinen Eltern zurück. Doch schon am 2. Januar 1954 flüchtete er mit anderen der „Gruppe“ nach West-Berlin. Er setzte sein Zahnmedizinstudium an der FU Berlin fort, promovierte 1957 und wechselte an die Universität Zürich. 1962 eröffnete er in Linthal (Schweiz) eine Zahnarztpraxis, in der er bis 1997 praktizierte.

2007 erhielten er und die anderen überlebenden Mitglieder der „Belter-Gruppe“ das Bundesverdienstkreuz. Peter Eberle verstarb am 1. November 2020.

Weitere Dokumente

Hinweis: Für eine weitergehende Nutzung, zum Beispiel für eine Veröffentlichung, bedarf es der Zustimmung der Dokumentationsstelle Dresden. Bitte kontaktieren Sie uns dazu.

Quellen

  • BArch, MfS, BV Lpz AP 0003
  • Generalstaatsanwaltschaft d. Russischen Föderation, K-97037
  • RGWA, f. 461, d. 170910

Veröffentlichungen

  • Günter Buchstab (Hrsg.), Verfolgt und entrechtet. Die Ausschaltung Christlicher Demokraten unter sowjetischer Besatzung und SED-Herrschaft 1945-1961. Eine biographische Dokumentation, Düsseldorf 1998, S. 112
  • http://workuta.de/Peter_Eberle/index.html
  • Klaus-Rüdiger Mai, Der kurze Sommer der Freiheit. Wie aus der DDR eine Diktatur wurde, Freiburg/Basel/Wien 2023, S. 188-193
  • Uljana Sieber, Vom Dresdner Kellergefängnis ins Lager, Schicksale politischer Häftlinge in Sachsen, Katalog zur Ausstellung, Dresden 2013, Gedenkstätte Bautzner Straße Dresden, S. 55-56, S. 91, S. 114, S. 126-127, S. 137-139
  • Wladislaw Hedeler/Horst Hennig (Hrsg.), Schwarze Pyramiden, rote Sklaven. Der Streik in Workuta im Sommer 1953, Leipzig 2007, S. 255