„Im Namen der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken …“

Urteile sowjetischer Militärtribunale (SMT) in Dresden

*23.9.1927 (Remse / Kreis Glauchau)

Rudolf Jost

Rudolf Jost in der Nachkriegszeit vor seiner Verhaftung, Privatbesitz
Rudolf Jost (obere Reihe, 2. von rechts) als Mitglied der Gefangenenkapelle in Workuta, Privatbesitz
Rudolf Jost, 2020, Dokumentationsstelle Dresden

Von Klingenthal nach Workuta


Rudolf Jost wuchs in Klingenthal im Vogtland auf. Kurz nach der Abschlussprüfung zum Elektriker erfolgte die Einberufung zur Wehrmacht. Im April 1945 geriet er in britische Kriegsgefangenschaft.

Ende 1946 kehrte Rudolf Jost nach Klingenthal zurück und arbeitete bei der „Wismut“ im Elektrizitätswerk. Zwei Jahre später schloss er sich einer Gruppe aus Schulfreunden und Nachbarn an, die gemeinsam ihre Freizeit verbrachten. 1949 fertigten sie acht Flugblätter an, die sich gegen die Errichtung einer Diktatur in Mitteldeutschland nach sowjetischem Vorbild richteten und verklebten diese an markanten Punkten in Klingenthal.

Im Frühjahr 1951 fuhren drei Gruppenmitglieder nach Berlin und kamen dort in Kontakt zur Kampfgruppe gegen Unmenschlichkeit (KgU). Nach der Rückkehr aus Berlin begannen die Mitglieder der Gruppe unter dem Decknamen „Ingo“ für die KgU zu arbeiten. Der parteilose Rudolf Jost war sich der damit verbundenen Gefahren bewusst und übte Zurückhaltung, zumal er seit dem 19. September 1950 verheiratet war.

Am 19. September 1951 wurde Rudolf Jost von der sowjetischen Geheimpolizei verhaftet. Seine Frau war zu diesem Zeitpunkt schwanger. Sie erfuhr nach der Verhaftung drei Jahre lang nichts über den Verbleib ihres Ehemannes. Über Auerbach kam er in das Untersuchungsgefängnis der sowjetischen Geheimpolizei in der Bautzner Straße Dresden. Dort wurde er zahlreichen verschärften Vernehmungen unterzogen, insbesondere nachts. Rudolf Jost und seine Mitstreiter waren durch die Verhaftung und die Aussagen eines bedeutenden KgU-Mannes in das Visier der Ermittler geraten („Affäre Walter“). Im Zentrum der Verhöre standen von Rudolf Jost gefertigte Fotos, die bei einer Hausdurchsuchung gefunden worden waren. Außerdem wurde ihm vorgeworfen, dass von ihm angefertigte Fotos über andere Gruppenmitglieder zur KgU gelangt waren.

Am 18. Februar 1952 verurteilte das Militärtribunal der Gruppe der sowjetischen Besatzungstruppen in Deutschland (Feldpostnummer 48240) Rudolf Jost in der Bautzner Straße in Dresden auf der Grundlage der Artikel 58-6, 58-10 und 58-11 des StGB der RSFSR zu 25 Jahren „Besserungsarbeitslager“. Zu den Mitverurteilten gehörten Lothar und Arno Göring, Walter Dölling, Egon Zimmermann, Gerhard Meisel und Alfred Meinel. Lothar Göring und Walter Dölling wurden zum Tode verurteilt und am 21. Mai 1952 in Moskau erschossen. Auch Egon Zimmermann war zum Tode verurteilt worden, wurde jedoch später begnadigt. Während Rudolf Jost vor dem Militärtribunal stand, wurde sein Sohn geboren.

Über das Gefängnis Nr. 6 in Berlin-Lichtenberg und das Moskauer Butyrka-Gefängnis kam Rudolf Jost in ein Lager in Workuta. Dort leistete er im Schacht 29 unter widrigsten Bedingungen Zwangsarbeit in der Kohleförderung. In seiner Brigade war er der einzige Deutsche. In Workuta überlebte er das Massaker, das Wachmannschaften am 1. August 1953 unter den Gefangenen anrichteten, die sich zum Aufstand erhoben hatten.

Im Dezember 1955 kam Rudolf Jost frei und kehrte nach Klingenthal zurück. Am 28. April 1956 flüchtete er mit Frau und Kind über Berlin in die Bundesrepublik. Der Neuanfang war sehr schwierig. Bei der Fahrleitungsmeisterei der Bundesbahn in Mannheim fand er schließlich Arbeit.

Die Generalstaatsanwaltschaft der Russischen Föderation rehabilitierte Rudolf Jost am 18. Mai 1993. Heute lebt er in Mannheim noch immer in der Wohnung, die er mit seiner Familie nach der Flucht aus der DDR beziehen konnte.

Weitere Dokumente

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Quellen

  • BArch Berlin, DO1/11:0/1520 (1955/56)
  • Dokumentationsstelle Dresden, Interview mit Rudolf Jost
  • Hauptmilitärstaatsanwaltschaft der Russischen Föderation, 3uw-6164-52
  • RGWA, f. 461, d. 194774

Veröffentlichungen

  • Enrico Heitzer, "Affäre Walter". Die vergessene Verhaftungswelle, Berlin 2008, S. 105 f.