„Im Namen der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken …“

Urteile sowjetischer Militärtribunale (SMT) in Dresden

*21.11.1930 (Buchholz (Sachsen))

Werner Gumpel

Werner Gumpel, Workuta - Die Stadt der lebenden Toten. Ein Augenzeugenbericht, Leipzig 2015, Cover
Werner Gumpel, Porträtfotografie, ca. 1955, zur Verfügung gestellt von der Lagergemeinschaft Workuta/GULag Sowjetunion

Als Student zur Zwangsarbeit nach Workuta verschleppt


Werner Gumpel besuchte in Buchholz im Erzgebirge die Volksschule. Direkt nach Ende des Zweiten Weltkriegs schloss er sich dem örtlichen antifaschistischen Jugendausschuss in Annaberg-Buchholz an, der später in der FDJ aufging. Nach der Volksschule besuchte er die Anton-Günther-Oberschule Annaberg, wo er 1949 das Abitur ablegte. Anschließend begann er ein Studium der Publizistik an der Universität Leipzig, wofür er in die Messestadt umsiedelte.

Zunächst voller Tatendrang und Enthusiasmus, empfand Gumpel die zunehmende inhaltliche Einflussnahme der SED auf die Studieninhalte und die politische Indoktrination dieser Partei als Einschränkung. Dies führte bei ihm zu einer wachsenden opponierenden Haltung gegenüber der Staatspartei. In dieser Stimmungslage lernte er im Mai/Juni 1950 Herbert Belter kennen, der Kontakt zum RIAS aufgenommen hatte und unter gleichgesinnten Studenten ein Netzwerk knüpfte, in dem verschiedenste Informationen aus dem westlichen Ausland zu Politik, Gesellschaft und Studieninhalten gesammelt und ausgetauscht wurden.

Auch Gumpel engagierte sich hierbei und verfasste zum Beispiel das Manuskript für eine Sendung, die im RIAS ausgestrahlt wurde. Bei anderen Mitgliedern des Kreises verstärkte sich ebenfalls die Bereitschaft zu politischen Aktionen. Belter selbst klebte in Leipzig im Vorfeld der ersten Volkskammerwahl in der DDR im Oktober 1950, bei der es sich um eine Scheinwahl handelte, Flugblätter und verteilte Handzettel. Auf dem Rückweg lief er einer Polizeistreife in die Arme.

Nachdem den Ermittlern ein Notizbuch von Belter mit den Adressen seiner Mitstreiter in die Hände gefallen war, begannen die Verhaftungen. Am 5. Oktober 1950 wurde Gumpel beim Betreten von Belters Wohnung verhaftet. Nach viertägiger Haft in der Leipziger Wächterstraße übergab ihn die DDR-Staatssicherheit der sowjetischen Geheimpolizei, die ihn zur Untersuchungshaft in die Haftanstalt an der Bautzner Straße in Dresden überführte. Am 20. Januar 1951 verurteilte ihn das Militärtribunal der Gruppe der sowjetischen Besatzungstruppen in Deutschland (Feldpostnummer 48240) dort auf Grundlage der Artikel 58-6, Abschnitt 1 (Spionage), Artikel 58-10, Abschnitt 2 (antisowjetische Propaganda) und Artikel 58-11 (Mitgliedschaft in einer konterrevolutionären Organisation) zu zweimal 25 Jahren Haft in einem „Besserungsarbeitslager“. Gemeinsam mit Gumpel wurden Herbert Belter, Otto Bachmann, Ehrhardt Becker, Peter Eberle, Rolf Grünberger, Hans-Dieter Scharf, Siegfried Jenkner, Günter Herrmann und Karl Miertschischk verurteilt.

Die Militärjustiz stilisierte die „Gruppe Belter“ zu einem organisierten Spionagering, was sich auch in den Urteilen der Mitangeklagten widerspiegelt. So wurde Belter zum Tode verurteilt und die anderen erhielten mehrheitlich zweimal 25 oder einmal 25 Jahre Haft in einem „Besserungsarbeitslager“.

Im April 1951 wurde Gumpel in die Sowjetunion deportiert. Über Berlin, Brest und Moskau kam er nach Workuta, wo er über die Jahre in verschiedenen Außenlagern vorwiegend schwerste körperliche Arbeiten im Kohlebergbau zu verrichten hatte. Am 16. Oktober 1955 wurde er in die DDR entlassen.

Von dort siedelte er schon am 27. Oktober 1955 in die Bundesrepublik über und schloss 1960 ein Studium in Nürnberg zum Diplomvolkswirt ab. Nach seiner Promotion war er am Aufbau des Instituts für Wirtschaft und Gesellschaft Ost- und Südosteuropas an der Ludwig-Maximilians-Universität in München beteiligt. Von 1974 bis 1996 hatte er nach seiner Habilitation dort leitende Funktionen inne.

Die Hauptmilitärstaatsanwaltschaft der Russischen Föderation rehabilitierte Werner Gumpel am 23. Mai 1994 als Opfer politischer Repressionen. Für sein unermüdliches demokratisches Engagement erhielt er 2007 das Bundesverdienstkreuz am Bande.

Weitere Dokumente

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Quellen

  • Hauptmilitärstaatsanwaltschaft der Russischen Föderation, K-97037
  • RGWA, f. 461, d. 198282

Veröffentlichungen

  • "Von Leipzig nach Workuta" V. Schulte im Gespräch mit Prof. Werner Gumpel, in: Mitteilungen und Berichte für die Angehörigen und Freunde der Universität Leipzig, Oktober 1992, Ausgabe 5/92, S. 25
  • Klaus-Rüdiger Mai, Der kurze Sommer der Freiheit. Wie aus der DDR eine Diktatur wurde, Freiburg/Basel/Wien 2023, S. 169-173
  • Uljana Sieber, Vom Dresdner Kellergefängnis ins Lager. Schicksale politischer Häftlinge in Sachsen. Katalog zur Ausstellung, Dresden 2013
  • Werner Gumpel, Workuta - Die Stadt der lebenden Toten. Ein Augenzeugenbericht, Leipzig 2015