„Im Namen der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken …“

Urteile sowjetischer Militärtribunale (SMT) in Dresden

*25.12.1889 (Ludwigsdorf / Kr. Kreuzburg) | † 24.3.1952 (Bautzen I)

Wilhelm Jelinek

Wilhelm Jelinek, Foto von Haftkarteikarte, JVA Bautzen
Wilhelm Jelinek, Haftkarteikarte Vorderseite, JVA Bautzen
Wilhelm Jelinek, Haftkarteikarte Rückseite, JVA Bautzen

Als Anarchist unter zwei Diktaturen im Untergrund aktiv


Wilhelm Jelinek entstammte dem Arbeitermilieu und war bereits früh im sozialistischen Sinne politisch geprägt. Schon in der Weimarer Republik engagierte er sich im antiautoritären beziehungsweise anarchistischen Bereich und gab in Zwickau die Zeitung „Proletarischer Zeitgeist“ (PZ) mit heraus. Im Nationalsozialismus mit diesen Aktivitäten in den Untergrund gezwungen, engagierte sich Jelinek auch in der Illegalität und hielt ein anarchistisches Netzwerk am Leben. Außer einer sogenannten Schutzhaft im Jahr 1937 ist ihm dies auch unbehelligt gelungen.

Jelinek war verheiratet und hatte eine Tochter. Er arbeitete als Lagerverwalter bei Siemens-Schuckert in Zwickau und war auch nach Ende des Zweiten Weltkriegs seinen politischen Überzeugungen treu geblieben. Er kritisierte aufgrund seiner antikommunistischen Haltung und seiner gegnerischen Einstellung zur SPD die von den Kommunisten betriebene Zwangsvereinigung zur SED. Zu einer Zusammenarbeit mit der künftigen DDR-Staatspartei war er zwar nicht bereit, doch kooperierte er im Hinblick auf gemeinsam geteilte Ziele durchaus mit einzelnen SED-Mitgliedern. Er trat dem FDGB bei und wurde in seinem Betrieb mit 95 Prozent der Stimmen zum Betriebsrat gewählt.

Zur gleichen Zeit sorgte er für den Fortbestand des „Proletarischen Zeitgeists“ und baute die vorhandenen Verbindungen zu anarchistischen Gruppierungen bis Hamburg und Berlin aus. Die Zwickauer Anarchisten übten hierbei zentrale Funktionen aus. So erstellten sie zum Beispiel Rundschreiben und Diskussionsbriefe, in denen auch Kritik an der Art und Weise des „sozialistischen Aufbaus“ in der SBZ laut wurde. Zudem appellierten sie für eine stärkere Kooperation zwischen den verschiedenen antiautoritären und anarchistischen Gruppierungen.

Diese Aktivitäten sorgten dafür, dass die sowjetische Geheimpolizei aktiv wurde. Mithilfe eines Verräters, der als Lockvogel fungierte, wurden die meisten Teilnehmer des Netzwerks auf einen Schlag im November 1948 verhaftet. Jelinek wurde am 10. November 1948 gemeinsam mit seiner Frau in seiner Wohnung von zwei sowjetischen Offizieren und einem Mitarbeiter der Zwickauer politischen Polizei K 5 festgenommen. Seine Frau kam nach vier Tagen wieder frei, musste jedoch feststellen, dass das gesamte Eigentum in der Wohnung konfisziert wurde. Sie und die gemeinsame Tochter kamen bei Verwandten unter. Jelinek selbst verlegte man in die Untersuchungshaftanstalt der sowjetischen Geheimpolizei nach Dresden.

Am 26. Februar 1949 fand gegen ihn und fünf Mitangeklagte (Gerhard Naumann, Otto Naumann, Hermann Fournes, Kurt Scharmacher und Emil Schläger) am Münchner Platz in Dresden der Prozess statt. Das SMT des Landes Sachsen verurteilte alle Angeklagten auf Grundlage der Artikel 58-10, Abschnitt 2 (antisowjetische Propaganda) und Artikel 58-11 (Bildung einer illegalen Organisation) StGB der RSFSR zu 25 Jahren Haft in einem „Besserungsarbeitslager“.

Jelinek kam in das sowjetische Speziallager Bautzen, das 1950 als Strafvollzugsanstalt Bautzen I Teil des DDR-Strafvollzugs wurde. Dort beteiligte er sich an Protestaktionen, um für bessere Haftbedingungen einzutreten. Zudem gelang es ihm, verschiedentlich sogenannte Kassibernachrichten aus dem Gefängnis schmuggeln zu lassen. Am 24. März 1952 verstarb Jelinek plötzlich in der Haftanstalt, offiziell an einem Herz-Kreislaufversagen infolge einer Grippeerkrankung. Noch vier Tage zuvor hatte ihn seine Tochter bei einem Besuch gesund und ungebrochen vorgefunden.

Wilhelm Jelinek wurde am 17. Januar 1997 durch die Hauptmilitärstaatsanwaltschaft der Russischen Föderation als Opfer politischer Repressionen rehabilitiert.

Weitere Dokumente

Hinweis: Für eine weitergehende Nutzung, zum Beispiel für eine Veröffentlichung, bedarf es der Zustimmung der Dokumentationsstelle Dresden. Bitte kontaktieren Sie uns dazu.

Quellen

  • Hauptmilitärstaatsanwaltschaft der Russischen Föderation, 5uk-1735-96
  • Justizvollzugsanstalt Bautzen, 2812/50
  • Staatsarchiv der Russischen Föderation (GARF), f. 9409, op. 1, d.193

Veröffentlichungen

  • Andreas G. Graf/Knut Bergbauer, Wilhelm Jelinek, in: Opposition und Widerstand in der DDR. Politische Lebensbilder, hrsg. von Karl-Wilhelm Fricke, Peter Steinbach und Johannes Tuchel, München 2002, S. 50-55