„Im Namen der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken …“

Urteile sowjetischer Militärtribunale (SMT) in Dresden

*4.11.1921 (Dresden) | † 12.7.1952 (Moskau (Gefängnis Butyrskaja))

Gerhard Lindner

Gerhard Lindner, Passfotografie, undatiert, ZA FSB
Gerhard Lindner, Porträtfotografie, undatiert, Privatbesitz
Hochzeitsfotografie Gerhard Lindner und Elleonore Brigitte Lindner, geb. Oelmann, 13. November 1943

Der verschwundene Architekt


Der gebürtige Dresdner diente während des Zweiten Weltkrieges im Range eines Unteroffiziers als Fluglehrer bei der Luftwaffe. 1949 schloss er in Dresden sein Studium als Hochbau-Ingenieur ab. Im Weiteren arbeitete Gerhard Lindner, seit 1946 Mitglied der SED, für das Architekturbüro Erich Köckritz, Dresden, unter anderem als Oberbauleiter für den sowjetischen Messepavillon in Leipzig. Im Sommer 1951 wechselte er in eine Meisterwerkstatt der Deutschen Bauakademie in Ost-Berlin.

Am 17. September 1951 wurde Gerhard Lindner in Ost-Berlin auf dem Weg zur Arbeit verhaftet. Ihm wurde vorgeworfen, dem Mitarbeiter der „Kampfgruppe gegen Unmenschlichkeit“ (KgU) Günter Malkowski Zahlenangaben und Fotografien zu einem Werk in Dresden-Heidenau, einen Stadtplan von Dresden sowie 80 Kennzeichen von sowjetischen Fahrzeugen übergeben zu haben. Auch soll er Angaben über die Tragfähigkeit von Brücken gesammelt haben. Hintergrund der Verhaftung war der Verrat des KgU-Mitarbeiters Hanfried Hieke (Deckname „Walter“).

Das SMT der Gruppe der sowjetischen Besatzungstruppen in Deutschland (Feldpostnummer 48240) verurteilte Gerhard Lindner am 29. Februar 1952 in Dresden auf der Grundlage des Artikels 58-6, Abs. 1 (Spionage), StGB der RSFSR gemeinsam mit seinem Onkel Walther Fleck, der ihn zur Spionage geworben haben soll, zum Tode durch Erschießen. Der Mitverurteilte Alfred Pötschke erhielt eine Strafe von 15 Jahren „Besserungsarbeitslager“ und überlebte die Lagerhaft im GULag.

Das Präsidium des Obersten Sowjets der UdSSR lehnte das Gnadengesuch von Gerhard Lindner am 7. Juni 1952 ab. Das Todesurteil wurde am 12. Juli 1952 im Butyrka-Gefängnis in Moskau vollstreckt. Gerhard Lindners Asche wurde in ein Massengrab auf dem Donskoje-Friedhof in Moskau gekippt.

Seine Ehefrau Elleonore verstarb 1953 im Alter von nur 26 Jahren in Sorge um den Ehemann und die beiden Kinder Brigitte (zum Zeitpunkt der Verhaftung fünf Jahre alt) und Gerhard (sechs Jahre). Sie wuchsen voneinander getrennt als Vollwaisen bei Familienangehörigen in dem Glauben auf, ihr Vater habe die Familie aus privaten Gründen verlassen.

Suchanfragen der Mutter von Gerhard Lindner, unter anderem an den Staatspräsidenten Wilhelm Pieck, an die Justizministerin Hilde Benjamin sowie an den Schriftsteller und Abgeordneten der DDR-Volkskammer Arnold Zweig blieben ergebnislos. In einem Fall wurde ihr mitgeteilt, sie solle die Ursache für sein Verschwinden allein bei ihm selbst suchen.

Erst 2006 erfuhren die Kinder durch einen Zeitungsartikel anlässlich der Präsentation des Buches „Erschossen in Moskau“ in Dresden vom furchtbaren Schicksal ihres Vaters.

Die Hauptmilitärstaatsanwaltschaft der Russischen Föderation rehabilitierte Gerhard Lindner am 10. September 1997.

Weitere Dokumente

Hinweis: Für eine weitergehende Nutzung, zum Beispiel für eine Veröffentlichung, bedarf es der Zustimmung der Dokumentationsstelle Dresden. Bitte kontaktieren Sie uns dazu.

Quellen

  • Hauptmilitärstaatsanwaltschaft der Russischen Föderation, 5ud-7739-52
  • Staatsarchiv der Russischen Föderation (GARF), f. 7523, op. 76a, d. 93

Veröffentlichungen

  • "Erschossen in Moskau ..." Die deutschen Opfer des Stalinismus auf dem Moskauer Friedhof Donskoje 1950-1953, hrsg. von Arsenij Roginskij, Frank Drauschke und Anna Kaminsky, 3. Auflage, Berlin 2008, S. 289
  • Enrico Heitzer, "Affäre Walter". Die vergessene Verhaftungswelle, Berlin 2008, S. 87