„Im Namen der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken …“

Urteile sowjetischer Militärtribunale (SMT) in Dresden

*1.9.1888 (Dresden) | † 12.9.1960 (Oberlichtenau)

Hugo Hänsel

Hugo Hänsel, Porträtfotografie, undatiert, Privatbesitz, zur Verfügung gestellt von Heiko Hänsel
Dr. Hugo Hänsel, Porträtfotografie, undatiert, Privatbesitz, zur Verfügung gestellt von Heiko Hänsel
Pfarrer Otto Hugo Hänsel mit Konfirmanden, 18. März 1951, Privatbesitz Isolde Hieke

Aufgrund einer Verleumdung verhaftet


Hugo Hänsel wuchs als Sohn des Geschäftsmannes Bruno Hänsel und dessen Ehefrau Fanny, geborene Heilmann, in Dresden auf. Er beendete das Gymnasium in Dresden und absolvierte ein Studium der Sprachwissenschaften, Philosophie und Theologie an den Universitäten Lausanne, Halle (Saale) und Leipzig, das er 1917 mit der ersten theologischen Prüfung abschloss. Bereits 1914 war er an der philosophischen Fakultät der Universität Halle-Wittenberg promoviert worden. Die zweite theologische Prüfung legte er im Mai 1920 im Landeskirchenamt in Dresden ab, und im Jahr darauf trat er sein kirchliches Amt an. Zuerst war er in Sacka bei Großenhain und in Dresden-Loschwitz als Pfarrer tätig, bevor er 1935 die seelsorgerische Leitung der Kirchgemeinde Weißer Hirsch in Dresden übernahm. Während des Ersten Weltkrieges diente er von 1915 bis 1917 im Sanitätsdienst des Heeres. Dr. Hugo Hänsel war verheiratet und Vater von drei Söhnen.

Am 14. August 1946 wurde er aufgrund einer Verleumdung von der sowjetischen Geheimpolizei in Dresden verhaftet, da er sich in der Eisenbahn abfällig über die sowjetische Besatzungsmacht geäußert habe. Laut familiärer Überlieferung thematisierte er in einem privaten Gespräch Vergewaltigungen deutscher Frauen durch sowjetische Soldaten. Sein Sohn Gottfried besuchte ihn täglich im Gefängnis und brachte seinem Vater Lebensmittel. Alle Bemühungen um seine Entlassung und eine Entkräftung der Vorwürfe von Seiten seiner Freunde, des Kirchenvorstandes und sowjetischer Offiziere verliefen ergebnislos. Nach fünf Monaten Untersuchungshaft verurteilte ihn das Militärtribunal für den Eisenbahn- und Wasserverkehr der sowjetischen Besatzungszone Deutschlands am 20. Januar 1947 im ehemaligen Landgericht am Münchner Platz auf der Grundlage von Artikel 58-10, Abschnitt 2 (antisowjetische Propaganda) des StGB der RSFSR zu sechs Jahren Haft in einem „Besserungsarbeitslager“. Die Haftstrafe verbüßte Hugo Hänsel in den Speziallagern Bautzen und Sachsenhausen. Am 24. Januar 1950 wurde er gesundheitlich schwer angegriffen vorfristig nach Dresden entlassen.

Wieder in Freiheit, erfuhr er von der Festnahme seines Sohnes Gottfried und von dessen Verurteilung durch ein sowjetisches Militärtribunal. Der Tod Gottfrieds am 6. November 1951 in der Strafvollzugsanstalt Bautzen erschütterte ihn. Er veranlasste die Beisetzung seines Sohnes in Oberlichtenau. Laut Dokumenten des Landeskirchlichen Archivs Dresden bat der Superintendent in einem Schreiben vom 28. Januar 1950 den Kirchenvorstand, eine Entscheidung hinsichtlich der Weiterbeschäftigung des Pfarrers zu treffen. Dr. Hugo Hänsel wurde mit Rücksicht auf seinen Gesundheitszustand zunächst beurlaubt und verzichtete auf die Leitung des Pfarramtes seiner Gemeinde. 1957 verließ er Dresden und übernahm bis zu seinem Tod die Pfarrstelle in Oberlichtenau. In der Chronik der Gemeindeverwaltung ist verzeichnet, dass Dr. Hänsel drei neue Glocken aus Stahlguß bestellte. Er wählte die Inschriften Friede, Freude, Freiheit. Dr. Hugo Hänsel verstarb am 12. September 1960 in Oberlichtenau an den Haftfolgeschäden.

Die Hauptmilitärstaatsanwaltschaft der Russischen Föderation rehabilitierte ihn am 27. Mai 2001 als Opfer politischer Repressionen.

Weitere Dokumente

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Quellen

  • Hauptmilitärstaatsanwaltschaft der Russischen Föderation, K-109898
  • Landeskirchliches Archiv Dresden (LAD DD), Bestand 2, Nr. 2124

Veröffentlichungen

  • Bernd Hempelmann, Verurteilt vom sowjetischen Militär, in: Elbhangkurier (2020) 5, S. 26