„Im Namen der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken …“

Urteile sowjetischer Militärtribunale (SMT) in Dresden

*27.8.1925 (Magdeburg) | † 7.12.1954 (Bautzen I)

Ingolf-Ariovist Klein

Ingolf-Ariovist Klein, Porträtfotografie, undatiert, Fotograf: unbekannt/Freie Universität Berlin, Universitätsarchiv, StudA, 2853
Begründung für den Studienwechsel von Leipzig nach Berlin, Freie Universität Berlin, Universitätsarchiv, StudA, 2853
Vermerk über Verhaftung in der Studentenakte, Freie Universität Berlin, Universitätsarchiv, StudA, 2853

Wegen unterlassener medizinischer Hilfe in der DDR-Strafvollzugsanstalt Bautzen verstorben


Geboren als Sohn des Oberingenieurs Heinrich Klein und dessen Ehefrau Charlotte, geborene Stockmann-Berendt, wuchs Ingolf-Ariovist Klein in Hannover und Berlin auf. Nachdem ihre Wohnung in Berlin-Steglitz bei einem Bombenangriff komplett zerstört worden war, siedelte die Familie nach Bernburg (Saale) um. Dort erlebte er auch das Kriegsende.

Am 6. Juli 1946 legte er an der Karlsschule-Oberschule für Jungen in Bernburg die Abiturprüfung ab. Anschließend absolvierte er einen Dolmetscherkurs an der Fremdsprachenschule in Leipzig. Dort lernte er Horst Leißring, den Gründer und Leiter der LDP-Betriebsgruppe an der Fremdsprachenschule, kennen. Seit 1946 war Ingolf-Ariovist Klein Mitglied der Liberal-Demokratischen Partei (LDP).

Zum Wintersemester 1947 begann er an der Universität Leipzig ein Studium der Philosophie. Er besuchte Vorlesungen in Geschichte, Publizistik, Fremdsprachen und Rechtswissenschaften an verschiedenen Fakultäten. Später erklärte er sich bereit, für das Zeitungsarchiv des Instituts für Publizistik der Universität Leipzig illegal Zeitschriften aus Westberlin zu beschaffen, nachdem der Vertrieb westlicher Zeitungen und Zeitschriften von der Sowjetischen Militäradministration verboten worden war.

Nach der Verhaftung des liberalen Leipziger Studentenratsvorsitzenden Wolfgang Natonek am 11. November 1949 wechselte Ingolf-Ariovist Klein zum Sommersemester 1949 an die Freie Universität Berlin, wo er die Zulassung in der Fachrichtung Zeitungswissenschaft erhielt. Er hielt jedoch weiterhin Kontakt zu seinen Leipziger Kommilitonen Horst Leißring und Friedrich-Wilhelm Schlomann und leitete deren Informationen zur Situation an der Leipziger Universität an den Untersuchungsausschuss freiheitlicher Juristen (UfJ) weiter.

Am 8. Juli 1950 wurde Ingolf-Ariovist Klein in Leipzig unter dem Vorwurf der Spionage und der antisowjetischen Propaganda durch Mitarbeiter der sowjetischen Geheimpolizei verhaftet. Anschließend überführte man ihn in das MGB-Gefängnis Dresden. Nach zwei Monaten Untersuchungshaft verurteilte ihn das Militärtribunal der 1. Garde-Mechanisierten Armee (Feldpostnummer 08640) am 11. September 1950 gemeinsam mit Eva-Ingeborg Kleinpaul, Sekretärin an der Universität Leipzig, und seinem Freund Horst Leißring auf der Grundlage von Artikel 58-6, Abschnitt 1 (Spionage) und Artikel 58-10, Abschnitt 2 (antisowjetische Propaganda) des StGB der RSFSR zu 25 Jahren Haft in einem „Besserungsarbeitslager“. Am 5. Oktober 1950 wurde er in der Strafvollzugsanstalt Bautzen registriert. Ab 9. März 1951 musste er dort 21 Tage Strafarrest wegen angeblicher Hetzpropaganda gegen die Sowjetunion verbüßen.

Ingolf-Ariovist verstarb am 7. Dezember 1954 um 20:45 Uhr in der Strafvollzugsanstalt Bautzen. Als Todesursache wurde der Mutter am 8. Dezember Kreislaufversagen mitgeteilt. Tatsächlich wurden, laut Unterlagen des Universitätsarchivs der Freien Universität Berlin, Medikamente, die Ingolf-Ariovist Klein gegen Hämophilie benötigte, nicht ausgehändigt, mit dem Hinweis, diese wären im Bestand der Strafvollzugsanstalt vorrätig. Nach Angaben des Mitgefangenen Heinrich Baumann starb Klein infolge schwerer Misshandlungen durch das Wachpersonal. Am 9. Dezember wurde der Leichnam in das Krematorium Zittau überführt und einen Tag später seine Verlobte Lotti Walther verständigt.

Die Hauptmilitärstaatsanwaltschaft der Russischen Föderation rehabilitierte Ingolf-Ariovist Klein am 14. Mai 2021 als Opfer politischer Repressionen.

Weitere Dokumente

Hinweis: Für eine weitergehende Nutzung, zum Beispiel für eine Veröffentlichung, bedarf es der Zustimmung der Dokumentationsstelle Dresden. Bitte kontaktieren Sie uns dazu.

Quellen

  • Archiv der sozialen Demokratie (AdsD), Liste SPD vom 18.9.2000
  • Justizvollzugsanstalt Bautzen, 7506
  • Militärstaatsanwaltschaft der Strategischen Raketentruppen, Isorg-4-930-21
  • Universitätsarchiv der Freien Universität Berlin, StudA, 2853
  • Universitätsarchiv Leipzig (UAL), StuA, 062679

Veröffentlichungen

  • Friedrich-Wilhelm Schlomann, Mit so viel Hoffnung fingen wir an, München 1991