„Im Namen der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken …“

Urteile sowjetischer Militärtribunale (SMT) in Dresden

*7.2.1922 (Colmnitz bei Freiberg) | † 20.10.1951 (Moskau (Gefängnis Butyrskaja))

Werner Schneider

Werner Schneider, Freie Universität Berlin, Universitätsarchiv, StudA 2429, Fotograf unbekannt

Als liberaldemokratischer Unternehmer und Student verfolgt


Werner Schneider absolvierte eine Ausbildung zum Polsterer in der väterlichen Firma, in den „Erzgebirgischen Polstermöbelwerkstätten Sohra“. 1940 trat er in die NSDAP ein, im Januar 1941 wurde er zur Kriegsmarine einberufen.

Da sein Vater in französischer Kriegsgefangenschaft ums Leben gekommen war, wurde er im Mai 1945 zum Abwesenheitspfleger der väterlichen Firma bestimmt. Um einer drohenden Enteignung zu entgehen, gründete er aus deren Bestand die eigene Firma „Polstermöbelwerkstätten Klingenberg-Colmnitz“.

Am 15. Juli 1948 wurde er wegen angeblicher Wirtschaftsvergehen und Urkundenfälschung zu sechs Monaten Haft und einer Geldstrafe von 1.000 Mark verurteilt. Die Verurteilung diente der Bekämpfung der Liberal-Demokratischen Partei (LDP), deren 2. Kreisvorsitzender in Freiberg Werner Schneider war. Unter Aufgabe seines Vermögens entzog er sich der Haft durch die Flucht nach Westberlin.

Dort immatrikulierte er sich im Wintersemester 1948/1949 an der Deutschen Hochschule für Politik (DHfP). Außerdem nahm er in Berlin Verbindung zum Landesvorsitzenden der LDP Carl-Hubert Schwennicke und zur „Kampfgruppe gegen Unmenschlichkeit“ (KgU) auf. An der Universität engagierte er sich in der liberalen Hochschulgruppe.

Am 23. Dezember 1950 nahmen Mitarbeiter der DDR-Staatssicherheit Werner Schneider während eines Besuchs bei seiner Mutter in Sohra fest und übergaben ihn an die sowjetischen Sicherheitsorgane. Während der Ermittlungen belasteten ihn ein früherer LDP-Parteifreund, ein Zellenspitzel sowie seine früheren Verlobte, mit der er ein gemeinsames Kind hatte, gegen Bezahlung Informationen zur sowjetischen Kriegsflotte gesammelt und an den französischen Geheimdienst übergeben zu haben. Zudem beschuldigten ihn die Ermittler antisowjetischer Hetze an der FU Berlin.

Am 7. Juli 1951 verurteilte das Militärtribunal der Gruppe der Sowjetischen Besatzungstruppen in Deutschland (Feldpostnummer 48240) Werner Schneider in Dresden nach Artikel 58-6 (Spionage), Artikel 58-10 (antisowjetische Propaganda), Artikel 58-11 (konterrevolutionäre Gruppenbildung) StGB der RSFSR sowie wegen der Aufbewahrung eines Sportgewehrs seines Großvaters nach Artikel 1 des Kontrollratsgesetzes Nr. 43 zum Tod durch Erschießen. Seine Mutter Theodora wurde im gleichen Prozess wegen der Aufbewahrung westlicher Zeitschriften, die sie von ihrem Sohn und von ihrem Schwiegersohn erhalten hatte, zu 25 Jahren „Besserungsarbeitslager“ verurteilt. Zum Jahresende 1953 wurde sie aus dem ostsibirischen Lager Ussolje-Sibirskoje entlassen.

In seinem Gnadengesuch schrieb Werner Schneider: „In den Protokollen der Untersuchung über meine Spionagetätigkeit habe ich mich zweimal hintereinander selbst bezichtigt. Alle darin vorkommenden Taten, Ereignisse und Namen sind frei zusammengestellt.“ Gleichwohl lehnte das Präsidium des Obersten Sowjets der UdSSR sein Gnadengesuch am 24. September 1951 ab. Das Urteil wurde am 20. Oktober 1952 im Moskauer Butyrka-Gefängnis vollstreckt. Seine Asche wurde in ein Massengrab auf dem Moskauer Friedhof Donskoje verkippt.

Die Hauptmilitärstaatsanwaltschaft der Russischen Föderation revidierte am 9. November 1999 die Verurteilung nach Artikel 58-10 und Artikel 58-11 StGB der RSFSR. Zugleich befand sie, dass Werner Schneider bezüglich der Vorwürfe der Spionage und des Waffenbesitzes begründet verurteilt wurde und daher nicht zu rehabilitieren sei.

Weitere Dokumente

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Quellen

  • Auswärtiges Amt, 506 - 544.10/666 RUS
  • Hauptmilitärstaatsanwaltschaft der Russischen Föderation, 4uk-13452-51/433
  • Staatsarchiv der Russischen Föderation (GARF), f. 7523, op. 76a, d. 41
  • Universitätsarchiv der Freien Universität Berlin, DHfP-StudA 209

Veröffentlichungen

  • "Erschossen in Moskau ..." Die deutschen Opfer des Stalinismus auf dem Moskauer Friedhof Donskoje 1950-1953, hrsg. von Arsenij Roginskij, Frank Drauschke und Anna Kaminsky, 3. Auflage, Berlin 2008, S. 389 u. S. 64
  • Jochen Staadt, Hingerichtet und vergessen. Erst jetzt klärt sich das Schicksal von zehn verschollenen FU-Studenten, in: Zeitschrift des Forschungsverbundes SED-Staat 17 (2005), S. 104-110